Mordrausch
nichts …«
Shaheen winkte ab. »Ich kenne dich in- und auswendig und merke, wenn du lügst. Was hast du angestellt? Und warum?«
»Wenn du irgendjemandem was verrätst, Addie, bringe ich dich um. Wie einen Hund.«
Shaheen brachte ihn zu seinem Haus zurück. »Neun Stunden, bis deine Schicht beginnt.«
»Ich bin okay.«
»Du bist nicht okay, sondern süchtig. Du solltest eine Entziehungskur machen«, erwiderte Shaheen.
»Vergiss es. Darum kümmere ich mich selbst«, sagte Barakat.
»Alain …«
»Ich bin okay«, wiederholte Barakat und ging ins Haus.
Am Morgen, als er sich fürs Krankenhaus fertig machte, schnupfte er nur eine kleine Menge, gerade genug, um sich zu beruhigen. Das reichte, sein Gehirn wieder in Gang zu bringen, und er dachte: Joe Mack, Lyle Mack, Weather Karkinnen.
Zwei Themenkomplexe, die Macks auf der einen Seite und Karkinnen auf der anderen.
Wenn Joe Mack starb, war Barakat die Bedrohung praktisch los – selbst wenn Karkinnen ihn identifizierte, würde die Polizei nicht weiterkommen. Vorausgesetzt, Lyle Mack tat nicht etwas wirklich Dummes und lagerte zum Beispiel die Medikamente in seinem Keller.
Die Macks hatten einen Killer. Somit war eine weitere Person eingeweiht. Wie viele Leute befanden sich auf der Mack-Seite der Gleichung? Schwer zu beurteilen. Wusste der Killer überhaupt über ihn Bescheid? Barakat überlegte: Die Macks waren nicht die Zuverlässigsten. Das hätte er erkennen müssen, aber der Gedanke an das Kokain hatte ihn blind gemacht.
Dann war da Weather Karkinnen. Sie hatte ihn gesehen; im schlimmsten Fall erinnerte sie sich an ihn.
Noch ein bisschen Koks, bevor er ins Krankenhaus fuhr, und ein kleiner Vorrat in Klarsichthülle für die Mittagspause. Das restliche Kokain versteckte er in einem Schuh im Schrank.
Die Macks waren ein Problem. Karkinnen war nur so lange ein Problem, wie es die Macks gab. Wenn Joe Mack starb … oder beide …
Die Idee gefiel ihm. Ob die Macks trotz ihrer Beteuerungen und langen Hirnwindungen zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt waren?
FÜNF
A ls Weather leise die Treppe hinunterging, spürte sie, dass jemand da war. Sie schaute in die Küche. Im Licht des Wandleuchters im Flur sah sie Virgil Flowers in dem Bogen zwischen Esszimmer und Küche auf seinem Schlafsack sitzen. Von dort aus konnte er sowohl die vordere als auch die hintere Tür im Auge behalten. Eine Schrotflinte lag auf dem Boden hinter ihm.
»Hast du schlafen können?«, fragte sie.
»Ja, alles in Ordnung«, versicherte er ihr gähnend.
Sie vermutete, dass er log und die Nacht damit verbracht hatte, mit seiner Waffe im Erdgeschoss auf und ab zu gehen. »Ich mache Kaffee, und in der Tiefkühltruhe ist Kuchen. Den könnte ich in den Ofen schieben. In zwanzig Minuten wäre er fertig.«
»Prima, danke. Ich putz mir die Zähne. Mach die Vorhänge in der Küche nicht auf.«
»Ich glaube nicht …«
»Mach die Vorhänge nicht auf«, wiederholte er in dem gleichen harten Tonfall, den Lucas manchmal verwendete.
Sie nickte. »Okay.«
»Wäre genug Kuchen für noch jemanden da?«, erkundigte sich Virgil.
»Genug für sechs«, antwortete Weather.
»Jenkins war die ganze Zeit draußen unterwegs. Ich könnte ihn reinrufen.«
»Ach, ihr Jungs …«
Jungs, die sie mit Waffen beschützten. Die Bilder von dem Biker und dem Scharfschützen von damals waren noch nicht wiederaufgetaucht, lauerten aber in ihrem Hinterkopf.
Kurz darauf kam Lucas in Jeans und Sweatshirt und mit verschlafenem Gesichtsausdruck die Treppe herunter. Er trug ein Schulterholster mit einer .45er. Virgil, der gerade sein Handy-Gespräch beendet hatte, sagte: »Jenkins schaut vielleicht vorbei.«
Lucas nickte und legte die .45er auf die Arbeitsfläche in der Küche. Wenig später klopfte Jenkins an der seitlichen Tür. Virgil ließ ihn in den Vorraum. Vor dem Mund des kräftigen Jenkins hing eine Atemwolke. »Minus zwanzig«, verkündete er, klatschte in die behandschuhten Hände und fragte fröhlich: »Sind schon alle auf?«
»O Mann«, brummte Lucas, der Morgenmuffel.
Weather kochte Kaffee, Lucas heizte den Ofen vor, Virgil ging ins Gästezimmer, und Jenkins zog Jacke und Galoschen aus und legte zwei 9-mm-Glocks auf die Kante des Küchentischs.
Als die Kaffeemaschine lief, trat Weather ans Telefon, wählte eine Nummer, nannte ihren Namen und fragte: »Alles klar? Danke.« Sie legte auf und sagte zu Lucas: »Der Zeitplan steht. Saras Zustand ist stabil. Keine Ahnung, ob das so bleibt, aber wir
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