Mordrausch
euch: Es gibt Schlimmeres als Gefängnis.«
»Soll das heißen, dass noch jemand über den Coup Bescheid weiß? Vielleicht sogar mehrere Leute?«, fragte Lyle Mack.
»Nein. Sie wissen nicht, warum sie euch umbringen sollen, nur, dass es sein muss«, antwortete Barakat. »Für die Familie.«
»Mach keinen Scheiß, Al, wir wollen dir nichts tun«, sagte Lyle Mack und lehnte sich mit seinem schönsten Bibelverkäuferlächeln auf seinem Stuhl zurück. »Du steckst genauso tief in der Sache drin wie wir, also müssen wir uns nicht den Kopf darüber zerbrechen, dass du uns verpfeifst. Wenn die Cops uns auf die Schliche kommen, landen wir alle für den Rest unseres Lebens im Gefängnis.«
»Ja. Trotzdem möchte ich kein Risiko eingehen.« Barakat beugte sich ein wenig vor. »Ich würde den Stoff nicht hier in Minneapolis verkaufen. Die Polizei sucht bestimmt überall danach.«
»Lass das mal unsere Sorge sein«, erwiderte Lyle Mack. »Wir haben den Stoff in ein sicheres Versteck gebracht. In ein paar Monaten, wenn sich die Aufregung gelegt hat, verpacken wir ihn neu und bringen ihn an drei oder vier Orte. Die Leute dort sollen aufpassen, wenn sie ihn auf der Straße anbieten. Niemand wird erfahren, woher das Zeug kommt. Es gibt keine Probleme.«
Barakat starrte sie eine Weile an, bevor er fragte: »Und mein Anteil?«
Lyle Mack nickte Joe Mack zu, der sich kurz umblickte, bevor er eine braune Tüte hervorholte und Barakat hinschob.
Barakat nahm sie und wog sie in der Hand. »Das ist kein Kilo.«
»Die Hälfte«, erklärte Lyle Mack. »Bis jetzt haben wir ja noch nichts, nur Zeug, das wir nicht weiterverschieben können. Sobald das geht, kriegst du die andere Hälfte.«
»Die Abmachung war …«
»… dass wir das Krankenhaus überfallen, das Zeug mitnehmen, zwei Tage später anfangen, es zu verscherbeln, und dich dann auszahlen«, führte Lyle Mack den Satz zu Ende. »Aber ich hab einfach keine dreißigtausend flüssig. Außerdem hat sich die Sachlage durch den Kerl, der dabei draufgegangen ist, verändert. Keine Sorge: Du kommst schon zu deinem Anteil, aber du musst dich noch ein bisschen gedulden. Vielleicht zwei Monate. Nicht länger.«
»Zwei Monate …«, wiederholte Barakat und schob die Tüte in seine Parkatasche. »Noch was: Manchmal zieht ihr Biker euch Verletzungen zu und wollt nicht ins Krankenhaus, weil dann die Polizei Wind davon bekommt. Ich bin ein ziemlich guter Arzt für Notfälle. Ich kann euch helfen – und euren Freunden, die ihr an mich verweist. Davon muss keiner etwas erfahren. Lasst es euch durch den Kopf gehen. Lebend bin ich mehr wert für euch als tot.«
»Mann, du hast ja richtig Angst«, sagte Lyle Mack.
»Natürlich«, bestätigte Barakat. »Ihr habt den Mann aus Dummheit umgebracht. Das Gleiche könnte mir auch passieren. Oder weil ihr meint, clever zu sein. Ich will kein Opfer eurer Dummheit werden.«
Lyle Mack stand auf und gab seinem Bruder ein Zeichen, der sich ebenfalls erhob.
»Bis bald, Doc«, sagte Joe Mack. »Versuch, dich zu entspannen.«
»Moment. Was ist mit der Frau?«
»Ganz ruhig«, erwiderte Joe Mack. »Daran arbeiten wir.«
»Was ist passiert? Ich hab nichts über sie gehört.«
»Keine Sorge. Die Sache lief nicht nach Plan, da hat unser Mann sie abgeblasen«, log Lyle Mack. »Wir denken über Alternativen nach und lassen wieder von uns hören.«
»Ich will damit nichts mehr zu schaffen haben. Ihr …« Er machte eine abfällige Handbewegung, die wohl bedeuten sollte: Ihr seid nicht mehr wert als Fliegen.
Lyle Mack tippte ihm mit dem Finger gegen die Brust. »Musst du aber vielleicht. Sie hat Joe gesehen. Wenn sie ein Foto von ihm haben, kann sie uns am Arsch kriegen. Wir müssen sie loswerden; darüber sagen wir dir noch Bescheid.«
»Sie ist in dem Team, das die Zwillinge trennen soll …«
»Das wissen wir schon. Und es ist uns scheißegal«, erklärte Lyle Mack.
»Das bedeutet, sie wird die nächste Zeit jeden Tag hier sein. Eins der Mädchen hat Herzprobleme. Die Operation dauert länger, als sie dachten. Ihr wisst also, wo sie ist. Sie kommt jeden Morgen um die gleiche Uhrzeit ins Krankenhaus. Mehr Informationen habe ich auch nicht.«
»Wir melden uns«, versprach Lyle Mack.
Sie sahen einander an, dann sagte Joe Mack: »Al, wenn wir sie nicht kriegen und sie erkennt mich, und du bist dran schuld … ist uns deine Scheißfamilie egal. Dann komme ich nämlich dreißig Jahre ins Zuchthaus.«
»Es gibt Schlimmeres als Gefängnis«,
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