Mordrausch
sind Namen. Daraus zimmere ich mir meine eigenen Informationen«, erklärte Lucas.
»Wenn Sie sich mit einem cleveren Mann unterhalten, und manche von denen sind ziemlich clever, werden sie ahnen, wie viel wir rausgefunden haben«, sagte Harris. Er konnte Lucas nicht besonders gut leiden, und das wusste Lucas auch.
Harris war Polizist in der dritten Generation, lebte von fünfundsiebzigtausend Dollar im Jahr, hatte sich aus einem Vorortrevier ins SKA hochgearbeitet, mit zwanzig geheiratet und drei Kinder gezeugt. Lucas hingegen war durch politische Protektion sofort ganz oben gelandet und – noch schlimmer – reich, fuhr einen Porsche, hatte früher einen Ruf als Frauenheld genossen und bekam von den Medien nach wie vor mehr Aufmerksamkeit, als ihm Harris’ Meinung nach zustand.
Lucas schüttelte den Kopf. »Nein. Zwei oder drei Namen – das ist nichts. Ich stelle mich dumm. Ich schwöre Ihnen, Frank, ich verheize Sie nicht. Wir brauchen nur einfach einen Ausgangspunkt.«
»Verbrennen Sie sich mal nicht die Finger«, sagte Harris, beugte sich ein wenig vor und schob einen Aktenordner über den Schreibtisch. »Schreddern Sie alles, wenn Sie es gelesen haben. Die Informationen dürfen nicht nach draußen gelangen; das wäre ein Desaster. Wenn Sie später noch mal eine Kopie benötigen sollten, kann ich eine machen lassen.«
Lucas nahm den Ordner und stand auf. »Danke, Frank, ich schulde Ihnen was.«
Manchmal, dachte er beim Hinausgehen, tut man jemandem einen Gefallen, den man nicht mag, weil man bei der Polizei ist. So war das eben.
Shrake wartete in Lucas’ Büro. Lucas schloss die Tür hinter sich, setzte sich und schlug den Ordner auf, zweihundert Seiten in Farbdruck, Überwachungs- und Informantenberichte, Fotos und Vorstrafenregister von Mitgliedern der Hells Angels und Bad Seed, dazu Erkenntnisse über Outlaws, Banditos und Mongols.
Lucas teilte die Unterlagen in ungefähr gleiche Hälften und schob die eine Shrake zu. »Fang an. Und sag mir Bescheid, wenn du auf was Interessantes stößt – besonders über die Seed.«
Die Angels waren die größte Rockergang in den Twin Cities. Die Seed hatten kein Klubhaus, sondern operierten vom Cherries südlich des Flusses aus, stand in dem Bericht. Die Seed hatten eine Kooperationsabsprache mit den Angels, und die Angels waren im Cherries willkommen. Außerdem waren die Seed Bündnispartner der Outlaws in Illinois und galten deshalb als bewährtes Kommunikationsglied zwischen den beiden großen rivalisierenden Gangs.
Ihr Geld verdienten die Banden mit Drogenhandel, Hehlerei und Kleinkriminalität. Trotzdem hatten die meisten Mitglieder richtige Jobs, und die Fluktuation außerhalb des innersten Kreises war hoch.
»Genau die richtigen Typen für die Krankenhaussache«, sagte Shrake, der gerade die Vorstrafenregister der toten Seed-Mitglieder Haines und Chapman studiert hatte. »Aussehen und Kleidung stimmen. Die Seed haben Kontakte sowohl nach Westen zu den Angels als auch nach Osten zu den Outlaws, handeln seit Urzeiten mit Drogen und kennen deshalb die Dealer auf der Straße. Haines und Chapman wurden beide wegen Überfällen verurteilt; Haines hat in Wisconsin gesessen, Chapman in Kalifornien. Dazu kommt bei Haines ein Verfahren wegen sexueller Belästigung, das eingestellt wurde, weil die Frau einen Rückzieher gemacht hat, aber er ist in der Datei. Außerdem drei Verwarnungen wegen Alkohol am Steuer, kleine Mengen Marihuana … Auf Chapmans Konto gehen drei Anklagen wegen Körperverletzung, eine Verurteilung, tätliche Angriffe als Jugendlicher, illegaler Waffenbesitz, kleine Mengen Rauschgift. Gut vorstellbar, dass so jemand eine Krankenhausapotheke überfällt.«
»Sie haben Haines umgebracht, weil sie wussten, dass er in der Datei ist und wir ihn über die Kratzer kriegen würden«, erklärte Lucas. »Sie hatten Angst, dass er Panik bekommt und sie verpfeift.«
Lucas entdeckte einen Hinweis auf die Inhaber des Cherries, Lyle und Joseph Mack, Brüder, seit Anfang der Neunziger bei den Seed, und auf ihren Vater Ike Mack, der in den Sechzigern Mitglied der Seed gewesen war. Ein Observierungsfoto von Lyle zeigte ihn auf den Stufen einer Kneipe sitzend, umgeben von Bierflaschen, aufgenommen im Herbst 2006.
»Mit dem müssen wir reden; der kennt alle aus der Gegend«, sagte Lucas und schob Shrake das Foto hin.
Shrake sah es sich an. »Klein und pummelig. Der war bei dem Überfall aufs Krankenhaus nicht dabei.«
»Aber er kannte Chapman und
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