Mordrausch
Bett.«
»Scheiße.«
»Aber sie sagt, dass sie morgen nicht früh in die Klinik muss. Ich könnte sie wecken.«
»Schau nach, ob sie tief und fest schläft. Wenn nicht, weck sie.«
Er mailte das Foto. Kurz darauf meldete Letty sich wieder. »Sie kommt.«
»Hast du das Bild?«
»Noch nicht.« Und sie rief: »Mom? Mom!«
Wenig später meldete sich Weather mit verschlafener Stimme. »Was für ein Foto?«
»Vielleicht von einem der Räuber«, antwortete Lucas.
Im Hintergrund hörte er Letty sagen: »Es ist da.«
»Moment«, bat Weather, dann: »Ja, Lucas, das könnte er sein. Hundert Prozent sicher bin ich nicht, aber der Mann auf dem Bild hat Ähnlichkeit mit ihm. Ich würde sagen, sechzig Prozent.«
»Okay. Ist Virgil noch da?«
»Ja, im vorderen Zimmer. Jenkins schaut immer mal wieder rein – ansonsten fährt er mit seinem Wagen durchs Viertel.«
»Wann musst du morgen ins Krankenhaus?«
»Die Zwillinge sind auf der Intensivstation. Um neun gibt’s eine Lagebesprechung. Zu der muss ich.«
»Gut. Dann kriegen wir noch eine Mütze voll Schlaf. Ich bin in zwanzig Minuten daheim.«
Er warf einen Blick auf die Uhr und beschloss, Marcy nicht mehr anzurufen. Mitten in der Nacht konnte sie ohnehin nicht viel tun. Er würde gleich am Morgen Kontakt mit ihr aufnehmen.
»Ich setze dich ab«, sagte er zu Shrake. »Leg dich hin und schlaf ein bisschen. Sei um halb neun bei mir. Und ruf Jenkins an und sag ihm, ich bin in einer Viertelstunde zu Hause; er kann gehen. Wäre schön, wenn er um halb neun dabei wäre.«
Shrake nickte, holte sein Handy heraus und drückte die Kurzwahlnummer von Jenkins. »Nehmen wir uns Joe vor?«
»Ich rede morgen mit Marcy, dann entscheiden wir, was wir machen. Weather ist sich nicht hundertprozentig sicher, meint jedoch, das Foto habe Ähnlichkeit mit ihm. Wir müssen uns unterhalten, bevor wir uns Joe vornehmen.«
Shrake nickte und sagte zu Jenkins, der in der Zwischenzeit rangegangen war: »Wir sind vorangekommen, Großer. Mit meinen Ermittlungen. Natürlich mit Hilfe von Davenport …«
Schnee trieb über die Straße, als sie das Haus von Lucas erreichten, kleine, harte Kristalle, die auf Windschutzscheibe und Kühlerhaube prasselten. Jenkins’ Crown Vic stand mit laufendem Motor vor dem Grundstück des Nachbarn. Jenkins blendete kurz auf, als Lucas in die Auffahrt fuhr. Lucas antwortete, blieb stehen, um Shrake herauszulassen, verabschiedete sich von ihm und lenkte den Wagen um Virgils 4Runner herum in die Garage.
Als Lucas zur Tür hereinkam, wartete Virgil am Küchenbogen. Er hatte mit Letty ferngesehen, als die Scheinwerfer in der Auffahrt aufleuchteten. »Alles ruhig«, bemerkte Virgil. »Weather ist im Bett. Was hat es mit dem Foto auf sich?«
Lucas schlüpfte aus seiner Jacke und erzählte Virgil und Letty von seinem Tag.
Als er fertig war, sagte Virgil: »Klingt, als wäre es zu neunzig Prozent der Gesuchte und als könnten wir ihn zu vierzig Prozent überführen.«
»Ja. Die Typen sind nicht die Allerhellsten«, erklärte Lucas. »Wir lassen sie von den Gang-Spezialisten und den Kollegen aus Minneapolis beobachten, und morgen nehmen wir uns Joe vor. Mal sehen, wie er reagiert. Vielleicht gelingt es uns, ihn in Panik zu versetzen.«
»Ich bleibe bei Weather«, erklärte Virgil. »Sie sagt, sie wird den ganzen Tag in der Stadt sein.«
»Vergiss nicht, dass es einen Insider gibt, und bleib dicht an ihr dran«, bat Lucas ihn.
»So dicht, wie sie mich lassen«, versprach Virgil. »Die werden nervös, wenn sie eine Waffe sehen.«
»Mom macht sich große Sorgen um die Zwillinge«, meldete sich Letty zu Wort. »Sie hat sich heute Abend mit Gabriel darüber unterhalten, was schlimmer ist: langsam oder schnell weitermachen. Wenn sie sich falsch entscheiden, stirbt Sara.«
»Diesmal ist sie stärker an der Sache beteiligt«, bemerkte Lucas.
»Sogar viel stärker«, pflichtete Letty ihm bei. »Sie denkt nicht mal mehr dran, dass jemand sie umbringen will. Mom glaubt, das ist vorbei, beziehungsweise ihr kümmert euch schon drum. Sie ist völlig auf die Zwillinge konzentriert.«
Am Morgen rief Lucas Frank Harris an, den Gang-Spezialisten des SKA, und berichtete ihm, was sie herausgefunden hatten.
»Interessant«, sagte Harris. »Und was soll ich jetzt tun?«
»Meine Leute arbeiten entweder die Nächte durch oder bewachen Weather«, antwortete Lucas. »Ich kann Del Capslock heranziehen, allerdings mit Sicherheit erst später. Wir bräuchten noch einen Mann vom SKA.
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