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Mords-Bescherung

Mords-Bescherung

Titel: Mords-Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Weidinger
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begegnet und hast dir gedacht, dass du es kurz einmal
entführst, um den Weihnachtsmann damit in Misskredit zu bringen?«
    Der Osterhase sah mich so verdattert an, wie es eigentlich nur ein
vollkommen Unschuldiger tun konnte. »Bist du besoffen, Inspektor Rednose?«,
fragte das Langohr in einem Tonfall, den ein Inspektor der Weihnachtsbehörde
auf gar keinen Fall durchgehen lassen konnte.
    »Wie du vielleicht gehört hast, ist das Christkind verschwunden.
Deine Spuren waren am Tatort, und nach der Tiefe der Spuren im Schnee zu
urteilen, hast du etwas Schweres getragen. Also, wie erklärst du das?«
    »Na ja, ich sagte doch, ich habe Tante Adelheid abgeholt, und weil
die alte Dame nicht mehr so gut bei Sprung ist, habe ich sie halt getragen.
Viel schwerer als der Korb voller Eier, den ich ständig herumschleppe, ist sie
auch nicht. Unterwegs ist uns das Christkind begegnet. Hat irgendwie müde
ausgesehen. Wir haben gefragt, ob wir helfen können, doch es hat gesagt, es
würde schon allein zurechtkommen. Also sind wir weiter.«
    »Und dafür gibt es Zeugen, nehme ich an?« Meine Stimme klang nicht
mehr ganz so sicher, wie sie bei einem professionellen Verhör klingen sollte.
Aber der Kerl war so was von überzeugend.
    »Ich kann das bezeugen«, vernahm ich plötzlich eine Stimme zu meiner
Rechten.
    Die zerfleddertste alte Hasendame, der ich je begegnet war, kam auf
mich zugehoppelt. Sie hatte es tatsächlich an den Hinterläufen, denn hoppeln
konnte man dieses Geschlurfe bei Gott nicht nennen. »Ich glaube, irgendetwas
mit den Flügeln des Christkindes stimmte nicht. Überall lagen Federn herum, und
einer davon sah geknickt aus. Siehst du, Oswald, ich habe dir doch gesagt, wir
hätten dortbleiben sollen und uns darum kümmern müssen.« Die Stimme der alten
Hasendame klang vorwurfsvoll, als sie sich an ihren Neffen wandte.
    Ich war sprachlos. Nicht weil der Osterhase Oswald hieß, das konnte
schließlich jedem passieren, sondern weil sich mein Verdacht in Rauch aufgelöst
hatte. Mein dümmlicher Gesichtsausdruck musste dem des Moai zu meiner Linken
sehr nahegekommen sein, wie sonst hätte der Osterhase eine gewisse Ähnlichkeit
zwischen uns feststellen können. Zutiefst deprimiert verließ ich die Osterinsel
wieder, ohne mich vom Osterhasen zu verabschieden. Der hatte sich inzwischen
sowieso wieder seiner Fellpflege gewidmet und beachtete mich nicht mehr.
Überheblicher Kerl!
    Die frische Meeresluft blies mir um die Ohren und machte mein Gehirn
wieder frei. Ich war also einer falschen Spur gefolgt. Das passierte selbst
Inspektoren in zerknitterten Mänteln. Aber das war noch lange kein Grund für mich,
aufzugeben. Ich musste zurück an den Tatort. Denn nun wurde die Zeit
tatsächlich knapp. Der Tag des Heiligen Abends war bereits angebrochen, als
ich, vom Pazifik kommend, das Arabische Meer überquerte und dann von der Adria
nordwärts in die Alpen vorstieß. Nun fragen Sie sich vielleicht, wie es für ein
Rentier möglich ist, diese lange Strecke in so kurzer Zeit zu bewältigen. Tja,
zum einen bin ich eben kein gewöhnliches Rentier. Ich bin Inspektor Rudi
Rednose, aber ich glaube, das erwähnte ich bereits. Und zum anderen ging das
mit dem Turbogang relativ einfach. Oder wie glauben Sie denn, sollten wir es
sonst in nur einer Nacht schaffen, die ganze Welt mit Weihnachtsgeschenken zu
beliefern. Wie auch immer, da war ich nun also wieder am Ort des Verbrechens.
Jetzt, bei Tageslicht, hätte man kaum vermuten können, dass hier eines der
schrecklichsten Verbrechen der Weihnachtsgeschichte verübt worden war. Noch
einmal ging ich die Fakten durch. Aber wie man es drehte und wendete, es sah
nicht gut aus für den Weihnachtsmann. Eine ganz leise Stimme in meinem
brillanten Rentiergehirn zog für eine Millisekunde sogar die Tatsache in
Erwägung, dass er es tatsächlich gewesen sein könnte. Aber eine viel lautere
weigerte sich schlichtweg, das zu glauben. Ja gut, der Weihnachtsmann, so
gemütlich er auch sonst war, konnte schon einmal aufbrausend werden, wenn einer
der Weihnachtselfen partout nicht das tun wollte, was von ihm verlangt wurde.
Aber ein Christnapper war er deswegen noch lange nicht.
    Ich saß also so da und grübelte, als ein etwas untersetzter älterer
Mann neben mir stehen blieb und hoch konzentriert den Tatort absuchte.
    »Was suchen Sie denn?«, fragte ich beiläufig.
    »Ach, nur meine Weihnachtsmannmütze. Die muss mir hier irgendwo vom
Kopf gerutscht sein«, sagte er.
    Im ersten Augenblick klappte mir

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