Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
Brettschneider, und setzen Sie sich wieder. Es ist doch keine Lösung, wenn Sie jetzt abhauen. Sie kommen sowieso nicht weit …«
Der Politiker sah Gabriel kopfschüttelnd an und schrie dann: »Jetzt hat es doch alles keinen Sinn mehr …« Er rannte hinaus aus der Hütte und war schon nach wenigen Schritten im dichten Schneefall verschwunden.
In der Hütte sagte minutenlang keiner ein Wort.
Es war schließlich Marion Hoiser, die aussprach, was alle dachten. »Der Mann hat nicht einmal eine Jacke an. Wenn wir ihn nicht zurückholen, ist er in weniger als einer Stunde tot.«
»Wieso sollten wir? Soll er doch verrecken, der Mörder«, stieß Ruth Maurer hervor.
Gabriel sah sie kopfschüttelnd an. »Wir haben die Pflicht, Josef Brettschneider zu retten. Egal, was er getan hat.«
»Genau. Wir müssen ihn suchen«, sagte Sandra.
Richard Maurer, der um Jahre gealtert schien, schrie auf. »Und wie sollen wir das machen? Sollen wir auch da rausgehen in dieses Schneetreiben? Bei diesem steilen Gelände? Unmöglich! Das ist viel zu gefährlich. Josef hat sein Schicksal selbst gewählt. Selbst wenn wir wollten, könnten wir ihm nicht helfen …«
Alle sahen sich betreten an. Es war klar, dass Richard Maurer recht hatte. Eine Rettungsaktion würde möglicherweise nur weitere Opfer fordern.
Plötzlich ertönte eine hohe, quäkende Stimme: »I hol den zurück. I kenn mir hier oba aus. Der kommt net weit.« Toni Hoiser hatte eine altmodische Skimontur übergezogen und hielt ein paar handgeflochtene Schneeschuhe in der Hand. Seine Tochter Marion stürzte auf ihn zu und wollte ihn zurückhalten, doch der alte Mann ließ sich nicht beirren.
»Es muss net no uiner sterbn hier obn. I geh und seh zu, was i tu kann.«
Toni Hoiser öffnete die Hüttentür und trat in die Kälte hinaus. Er schlüpfte in die Schneeschuhe und trabte mit erstaunlich schnellen Schritten davon. Auch er war nach wenigen Sekunden im weißen Nichts des Schneetreibens verschwunden.
Kurz nachdem sich die Hüttentür hinter ihm geschlossen hatte, hörte Gabriel Sandras Stimme aus dem ersten Stock: »Wolf? Kommst du bitte mal? Ich glaube, ich habe etwas Interessantes gefunden. Und bring eine Plastiktüte mit.«
Gabriel, der noch von dem gerade Erlebten aufgewühlt war, zuckte zusammen, reagierte aber sofort. »Schon unterwegs«, rief er.
Er fand Sandra in Brettschneiders Zimmer, das sie unmittelbar nach dessen Flucht durchsucht hatte. Sie kniete auf dem Fußboden und schaute unter Brettschneiders Bett. Als sie Gabriel sah, ließ sie sich von ihm die Plastiktüte geben, stülpte sie über die Hand und griff unter das Möbelstück. Dann zog sie einen etwa faustgroßen Gegenstand hervor und hielt ihn in die Höhe. Es war ein scharfkantiger Stein, dessen eine Seite blutverkrustet war. Es klebten sogar noch einige Haare daran, die man im Labor wohl unschwer dem toten Christian Brandl zuordnen konnte.
»Gute Arbeit, Sandra. Hervorragend«, lobte Gabriel und strahlte über das ganze Gesicht.
»Damit dürfte Brettschneider endgültig überführt sein.«
»Aber nein, ganz im Gegenteil. Damit werden wir den wahren Täter überführen. Jetzt hat er endlich den Fehler begangen, auf den ich die ganze Zeit gehofft habe.«
Sandra sah ihren Chef überrascht an. Der lächelte milde. »Ich glaube, es ist höchste Zeit, dass ich dir ein paar Dinge erkläre.«
Sandra staunte nicht schlecht, als Gabriel sie in die Ereignisse der vergangenen Nacht und das Auftauchen von Bernhard Schuster einweihte. Die heimlichen Aufnahmen des Reporters waren ein Glücksfall gewesen, die den Kommissar allerdings zu einem unerwarteten Schluss geführt hatten: Auch jeder der anderen Anwesenden hätte ein Motiv gehabt, Christian Brandl zu töten. Richard Maurer, um seinem Liebhaber zu helfen, Ruth Maurer aus Rache für ein verpfuschtes Leben, Marion Hoiser wegen ihres Verlobten, Toni Hoiser wegen seiner Tochter, Alam Chijoke aus Rache für den erlittenen Rassismus. Und sogar Alois Meixner, auch wenn Gabriel dessen Motiv zunächst nicht verraten wollte. Im Prinzip konnte Sandra die Überlegungen des Kommissars nachvollziehen. Aber ihrer Ansicht nach hatte Brettschneider eindeutig das stärkste Motiv. Und die Aufnahme von Bernhard Schuster bewies zudem, dass es in der Nacht zum Eklat zwischen ihm und Brandl gekommen war. »Wieso bist du dir so sicher, dass Brettschneider nicht der Täter ist?«, fragte Sandra.
»Wegen der Tür.«
»Wegen welcher Tür?«
»Die hintere Küchentür, die nach
Weitere Kostenlose Bücher