Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
vertragen. Der Arzt hatte gemeint, sie soll auf dem Land leben. Außerdem hat der Valentin von seinen Eltern das Haus geerbt. Das war vorher vermietet, und dann hat es ganz gut gepasst, weil die Mieter gekündigt hatten, weil sie ausgewandert sind.«
»Wann war das?«, wollte Gabriel wissen.
Hubert überlegte und kratzte sich am Kinn. »Ein paar Jahre ist das schon her, genau weiß ich es nicht. Aber doch ein paar Jahre.«
»Und Roland und Christa Debus?« Langsam begann Gabriel den Alkohol zu spüren. Tranken die hier immer so viel?
»Die sind dann in das andere Haus von den Reifenbergers gezogen«, erzählte Hubert bereitwillig und zündete seine ausgegangene Zigarre wieder an. Vom Nichtrauchergesetz hatte man hier offenbar noch nichts gehört, im ganzen Raum hing grauer Tabakdunst, der aber niemandem etwas auszumachen schien.
»Welches andere Haus?« Gabriel wedelte den Rauch vergeblich zur Seite.
»Na, die Eltern vom Reifenberger hatten doch mehrere Häuser in der Gegend. Die waren doch steinreich.«
»Waren?«
»Ja, sie sind bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Beide zusammen. Vor ein paar Jahren war das, ja, ein paar Jahre ist es jetzt her.« Hubert hatte es nicht so mit genauen Zeitangaben.
Und mehr konnten Gabriel und Sandra nicht in Erfahrung bringen.
»Hast du getrunken?« Henning von Steeken keckerte und zwinkerte Gabriel vom Bildschirm des Laptops her zu. Gabriel hatte versucht, die Fotos von der Digitalkamera auf den Computer zu laden, den ihm die Münchner Polizei für die Dauer seines Aufenthalts überlassen hatte, dann aber aufgegeben, weil ihm schwindlig war. Letztendlich hatte Sandra die Sache in die Hand genommen.
»Ja, ich habe getrunken«, sagte Gabriel und schloss kurz die Augen. »Das scheint hier nicht anders zu gehen. Wenn man nicht trinkt, wird man geächtet. Insofern würdest du ganz gut hierherpassen. Also, was kannst du mir zu den Fotos sagen? Äußerlich ist da wohl einiges zu sehen. Was sind das für Spuren?«
»Du bist etwas voreilig«, sagte von Steeken. »Überlass doch Einschätzungen und Diagnosen lieber den Fachleuten und schlag dich nicht mit Dingen herum, die du nicht beherrschst. Ich sage da nur Skype.«
»Mittlerweile komme ich gut damit zurecht«, verteidigte sich Gabriel und bemerkte ein permanentes Ziehen in seinem Schädel, das sich mit Sicherheit noch weiter ausbreiten würde. Herrje, warum immer ich?, dachte er. Kann ich nicht mal irgendwo Urlaub machen, wo nichts passiert?
»Frau Berger, wo sind Sie?«, rief von Steeken sadistisch. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du alleine vor dem Monitor sitzt.«
»Guten Abend«, sagte Sandra und schob ihren Stuhl näher zu Gabriel heran.
»Also.« Gabriel wollte nicht weiter über seine technischen Fähigkeiten diskutieren. »Was kannst du sehen?«
»Erst einmal ist das mit Sicherheit gar nicht zu sagen«, erklärte von Steeken. »Ich mache mich doch nicht zum Gespött der Kollegen, indem ich Ferndiagnosen abgebe. Allerdings kann ich deutlich erkennen, dass beide Männer wohl eventuell gefesselt waren.«
»Und?«
»An Hals und Händen ist da was zu erkennen. Dass sie gefesselt worden sind, kann ich natürlich nicht hundertprozentig sicher sagen, aber man darf es vermuten. Es könnte natürlich auch sein, dass sie sich selbst Stricke um den Hals gelegt haben.«
»Ach ja?« Gabriel ärgerte sich über sich selbst. Seine Voreiligkeit nervte ihn. Das musste am Bier liegen. »Wer legt sich denn selbst Stricke um den Hals? Und da bist du dir sicher?«
»Chef«, wisperte Sanda. »Du musst auch mal zuhören.«
»Ja, ja«, sagte Gabriel genervt. »Also bist du dir sicher oder nicht?«
»Da hättest du bessere Fotos machen müssen«, sagte von Steeken hoheitsvoll. »Amateuraufnahmen sind für einen Rechtsmediziner nicht besonders hilfreich.«
»Ich habe die Fotos nicht gemacht«, entgegnete Gabriel giftig.
»Ach«, sagte von Steeken.
Jetzt fing er auch noch mit diesem Ach an. »Wer denn sonst? Und mit Verlaub, wieso wird eigentlich der zuständige Rechtsmediziner nicht zurate gezogen?«
Sandra schaltete sich ein: »Er wollte sich melden, hat er aber noch nicht.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe mehrfach versucht, ihn zu erreichen, wurde aber immer abgewimmelt.« Das stimmte. Den ganzen Nachmittag hatte sie die Wahlwiederholung gedrückt. Sogar noch in der Kneipe, so lange, bis irgendwann ein Band lief.
»Komisch. Eine Ersteinschätzung hätte er doch schon geben können. Wie heißt denn der
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