Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
nach draußen. Der Tag war noch jung, die Vögel zwitscherten, und seine Kopfschmerzen ließen dank der zwei Tabletten, die er genommen hatte, langsam nach. Er würde diesen Tag nutzen. Das nahm er sich fest vor.
»Was meinst du, Sandra?«, fragte er seine Assistentin. »Was für ein Gefühl hast du?«
»Ein merkwürdiges«, erwiderte Sandra langsam. »Irgendwie kommt mir das hier alles so unecht vor.«
Gabriel drehte sich langsam zu ihr um. »Genauso sehe ich es auch. Zwei Einwohner dieses kleinen Ortes sind tot, und so, wie es aussieht, sind sie umgebracht worden. Einen Suizid schließe ich jetzt einfach mal aus, auch wenn von Steeken sagt, ich soll keine voreiligen Diagnosen stellen. Da liegen also zwei Immobilienmakler tot im Teich, wo mein Hund sie zufällig findet. Und dem Ortspolizisten ist seine Singstunde wichtiger als der erste Mordfall seit vielen Jahren, sein Vorgesetzter, dieser Schmellbach-Wahl, will uns hier sowieso nicht haben, und die beiden Ehefrauen sind auch nicht mehr ganz dicht. Und gestern Abend hier in der Kneipe war das Ganze zwar Thema des Tages, aber wirklich betroffen war niemand. Und jetzt die Krönung: Hubert vom Angelverein will seinen Stift zurück. Das ist doch wohl alles nicht wahr!«
»Zumindest ist es sehr, sehr merkwürdig«, bestätigte Sandra und kraulte Mutter, die neben sie getreten war und sie anstupste.
»So«, Gabriel blickte auf seine Uhr, »halb acht. Um die Mitarbeiter von Debus und Reifenberger kümmern wir uns später. Wir fangen jetzt mal bei null an. Nämlich da, wo die Leichen gefunden wurden. An diesem Kloster.«
»Gut.« Sandra trank ihren Kaffee aus. »Dann mal los.« Im Vorbeigehen nahm sie die gestohlene Digitalkamera vom Tisch, wo Gabriel sie vergessen hatte.
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»Nun halt doch still, Mutter!«, rief Gabriel entnervt. »Wenn du nicht aufhörst herumzuhüpfen, pack ich dich ins Auto.« Das würde er bei dieser Hitze natürlich nicht machen. Das Thermometer war schon auf mindestens 25 Grad geklettert, und es war noch lange nicht Mittag. Der Teich lag ruhig und verlassen da, Spaziergänger war kein einziger zu sehen, und hinter dem Rot-Weiß-Band standen nur noch zwei Leute von der Spusi.
»Wir haben bis spät in der Nacht gearbeitet«, sagte der eine. »Und heute Morgen sind wir wieder her. Aber gefunden haben wir nichts. Gar nichts. Weder im Teich – wir haben einen Taucher reingeschickt – noch in der Umgebung. Scheint so, als wären die beiden einfach hier reingeworfen worden.«
»Fußspuren?«
»Zuhauf. Aber auch da nichts Verwertbares. Hier laufen viele Spaziergänger rum, und gestern wurde ja auch ordentlich getrampelt, bevor wir endlich gerufen wurden.« Der Spusi-Beamte machte eine beleidigte Pause, offenbar wollte er hören, dass man ihn natürlich zuallererst hätte rufen müssen. Aber Gabriel sagte gar nichts.
»Wir sind dann so weit fertig«, fuhr der Mann schließlich fort. »Das Gelände ist wieder freigegeben. Wir bauen hier alles ab.«
»Gut«, sagte Gabriel. Er drehte sich zu Sandra um. »Komm, wir schauen uns mal das Kloster an.«
»Das ist ein sehr, sehr altes Kloster«, mischte sich der zweite Mann von der Spusi ein. »Ich glaube, es wurde im 14. Jahrhundert zum ersten Mal erwähnt.«
Das ist ja der, dem ich die Digitalkamera geklaut habe, dachte Gabriel schuldbewusst. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um sie ihm wiederzugeben. Wie hätte das denn ausgesehen? Nein, er würde sie zurückschicken oder was auch immer. Darüber machte er sich jetzt noch keine Gedanken.
»Sie kennen sich ja gut aus«, sagte Sandra. »Wer wohnt denn da? Nonnen?«
»Früher mal.« Der Mann kam näher. »Da wohnt keiner mehr, schon lange nicht.«
»Dann ist es aber sehr merkwürdig, dass die beiden Männer ausgerechnet hier waren, wo kein Mensch ist.«
»Vielleicht wollten sie spazieren gehen«, mutmaßte der Spurentechniker.
Das passt alles nicht, dachte Gabriel. Valentin Reifenberger wollte zum Angeln und hatte auch seinen Rucksack dabei, und Roland Debus hatte Auswärtstermine. Warum sollten sie da an diesem abgelegenen Kloster spazieren gehen?
»Ach«, sagte Sandra auf einmal. »Wen haben wir denn da?« Sie deutete auf die andere Seite des Teiches, wo Sebastian stand, der engagierte Polizist. Er winkte ihnen zu, und Sandra machte ihm ein Zeichen, dass sie gleich zu ihm kommen würden.
»Dann einen schönen Tag noch«, sagte Gabriel zu den beiden Technikern, und sie nickten ihm zu.
»Was führt Sie denn hierher?«, fragte er
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