Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
selbst das gekonnt hätte. Aber ich lerne täglich von Joseph dazu.«
War das möglich? Wolf Gabriel hatte so seine Zweifel. Auf jeden Fall konnte er festhalten, dass Joseph Hundinger ihm zwei wesentliche Informationen vorenthalten hatte. Zum einen die, welche Verbindung es zwischen dem Ermordeten und ihm gegeben hatte. Und zum anderen den Namen seines Alibis. Wenn das überhaupt ein Alibi war und nicht eine abgekartete Sache. Immerhin ein Ansatz, dem Sandra und er weiter nachgehen konnten.
Sein Magen knurrte, und er musste gleichzeitig an den So jabratling und die arme Mutter denken, die nicht einmal das zu essen bekommen hatte. Er musste sich dringend um sie kümmern, bestimmt hatte der Hund inzwischen großen Hunger. Und dieses Gespräch gehörte aufgezeichnet und soll te unter professionellen Bedingungen weitergeführt werden.
»Ja, dann«, sagte Gabriel. »Ich danke Ihnen vielmals. Das war sehr … aufschlussreich.«
»Das ist doch selbstverständlich, Herr Kommissar. Melden Sie sich jederzeit gern, wenn Sie weitere Fragen haben.«
Darauf können Sie Gift nehmen, dachte Wolf Gabriel.
»Interessieren Sie sich auch für Reinkarnation?« Verena Heise erhob sich und klopfte sich imaginäre Flusen von der Hose.
»Unbedingt«, sagte er, »vor allem, wenn es sich um Frauen oder Hunde handelt. Meine Mutter zum Beispiel …«
Vorsicht, Gabriel, die Frau war gefährlich. Ein Typ, bei dem er ins Plaudern geriet, was sonst nicht seine Art war. Er konnte sich gerade noch rechtzeitig beherrschen; es reichte, wenn Sandra hier die Wiedergeborene spielte. »Aber das führt jetzt zu weit.«
»Schade.«
»Beim nächsten Mal.«
Sie lächelte und zwang ihn, das Lächeln zu erwidern. »Im nächsten Leben erzähle ich Ihnen mehr. – Passen Sie auf sich auf, Herr Kommissar.«
Das hatte noch nie jemand zu ihm gesagt, der in einem Mordfall zu den Zeugen zählte. Und diese Dame zählte nicht nur zu den Zeugen, sondern zu den Hauptverdächtigen. War dies eine spöttische Drohung, oder sorgte sie sich ernsthaft um sein Wohlergehen? Verena Heise war ihm ein Rätsel. Was wusste sie?
Zweiter TEIL
7.
Sandra hatte es sich schnell in ihrem neuen Zimmer gemütlich gemacht. Routinemäßig kontrollierte sie an allen infrage kommenden Stellen, ob ihr Vorbewohner womöglich irgendwo etwas versteckt hatte, was dem Auge des Kommissars entgangen und beim Packen seiner Habseligkeiten übersehen worden war. Aber sie fand nichts, weder auf der Gardinenleiste noch unter der Matratze, weder in den Falten der muffigen Reservedecke aus grauer Wolle, die im untersten Fach des Kleiderschranks darauf wartete, endlich einmal gereinigt oder zumindest gelüftet zu werden, noch hinter dem Spiegel, der über dem Handwaschbecken hing. Zu guter Letzt nahm sie das Bild der Madonna von seinem Platz über dem Nachtkästchen, löste den Rahmen und überprüfte, ob sich hinter dem Bild irgendeine Botschaft befand, ein Drohbrief, ein Erpresserschreiben, ein paar Aktien oder auch ein größerer Geldbetrag. Aber nichts dergleichen. Was sein Zimmer anging, so blieb Dr. Konrad Bettermann ein unbeschriebenes Blatt.
Sie warf einen Blick aus dem Fenster und sah eine Frau durch den Garten auf die Villa zustreben, bei der es sich dem Aussehen nach um die von Wolf Gabriel beschriebene elegante Dame handeln musste. Als hätte die Frau Sandras Blick gespürt, schaute sie auf und hielt einen Moment inne, bevor sie mit einem Kopfnicken grüßte und ihren Weg fortsetzte. Sandra beschloss, sich vor dem Abendessen noch in Haus und Garten umzusehen. Vielleicht ergab sich dabei eine Gelegenheit, mit der Dame oder einem der anderen Gäste ins Gespräch zu kommen.
Bis Sandra ihr Zimmer abgeschlossen hatte und unten in der Eingangshalle angelangt war, war die Dame verschwunden. Sandra öffnete verschiedene Türen, warf einen Blick ins Kaminzimmer und in die Bibliothek und schlüpfte dann durch die einen Spaltbreit offen stehende Schiebetür vom Speisesaal hinaus auf die Terrasse. Sie stromerte ein wenig im Garten zwischen Büschen und Beeten herum, schnupperte am Lavendel und schlich sich, soweit es das rot-weiße Absperrband erlaubte, zur Gartenlaube, in der Bettermann den Tod gefunden hatte. Sie lag etwas abseits vom Weg hinter Bäumen versteckt und war zur Seeseite hin offen, sodass man sich vom Haus her weitgehend unbemerkt nähern konnte. War Bettermann verabredet gewesen? Oder hatte ihn sein Mörder, seine Mörderin hier überrascht? Hatte es eventuell Zeugen gegeben?
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