Mordsdeal
damit sie keine Spuren hinterließ. Er versprach ihr, den Sack entsprechend zu entsorgen. Hilla packte unter Protest mit an. Prompt brach der letzte lange Fingernagel ab, aber der Sack blieb luftdicht.
Heiner fluchte: »Kannst du nicht einmal etwas vernünftig machen? Los, fass hier an, und dann tragen wir ihn zur Tür. Auf dem Weg dorthin stolperte Hilla über die Perserbrücke, sie ließ den Sack mit einem dumpfen Plumps auf den Boden fallen, ruderte mit den Armen und fing sich in letzter Sekunde. Heiner schüttelte den Kopf. Kurzerhand schulterte er den schwarzen Sack. Im Panoramafenster des Wohnzimmers spiegelte sich seine Gestalt. Viel zu auffällig sah es aus, jetzt am helllichten Tag, viel zu auffällig. Was hatte er in der Frau und Krimi gelesen? Es war heutzutage alles nachweisbar. Wichtig war es, keinerlei Verdacht aufkommen zu lassen! Darauf kam es an! Das war das Geheimnis des perfekten Mordes.
»Gibt es in diesem Haushalt keine Truhe? Eine Kiste, einen Behälter, in den wir ihn packen können?«
Hilla schmollte.
»Los jetzt, beweg deinen Arsch, oder soll ich dir den Alten dalassen? Mich siehst du so oder so nie wieder.«
Hillas Gesichtsfarbe wechselte von Rosa auf Rot.
»Was willst du damit sagen?«
»Ich brauche eine unauffällige Truhe, einen Behälter. Möglichst in den nächsten fünf Minuten …«
»Nein, das, was du danach gesagt hast.«
»Weiß ich nicht mehr, was habe ich denn gesagt?«
»Na, das mit dem – du siehst mich nie wieder, so oder so.«
»Ich will jetzt nicht diskutieren. Ich will hier raus aus dem Stall! Ja, und ob ich froh bin, wenn ich dich nicht mehr sehen muss.« Manchmal half nur die harte Methode. Er musste sich verhasst machen, damit sie ihn endlich in Ruhe ließ.
Hillas kleine Augen bekamen rote Ränder. Sie rückte ihre Brille zurecht und sah sich hilflos nach einem Behälter um. Jetzt hatte Heiner selbst etwas entdeckt. Auf der Terrasse stand eine blaugraue Plastikbox für die Stuhlkissen der Gartenmöbel. Er öffnete die Verriegelung der Terrassentür, ging hin, warf die Kissen heraus und zwängte die leichte Box mit einem schabenden Geräusch durch die Tür ins Wohnzimmer.
Hilla, völlig außer sich, half wieder unfreiwillig. Sie legten den durch das Vakuum etwas steif wirkenden Alten bequem hinein. Mit Nachdrücken wäre sogar Platz für einen zweiten Sack gewesen.
Sie brachten die Plastikbox zum Wagen und verstauten sie. Alles saß perfekt, hatte Luft und wackelte.
»Ich komm mit«, sagte Hilla. »Moment. Ich hole eben den Haustürschlüssel.« Sie stolperte ins Haus, die Tür fiel hinter ihr zu.
Heiner setzte sich ins Auto und gab Gas, als sei der Teufel hinter ihm her.
*
Heiner ärgerte sich, das Buch nicht mitgenommen zu haben, in dem einigermaßen brauchbare Angaben für seine Situation standen. Zum Beispiel, woran man bei einem perfekten Mord alles denken musste. Es gab da einen Punkteplan. Die hatte er nicht mehr alle im Kopf. Stand da nicht, abends jemanden umzubringen, wäre nicht so günstig? Das galt mit Sicherheit auch für die Leichenbeseitigung. Man sollte vermeiden, entdeckt oder gesehen zu werden. Welcher Scherzkeks sich das ausgedacht hatte, hatte er auch vergessen, muss wohl ein älteres Buch gewesen sein. Aber der folgende Absatz hatte ihm dann zu denken gegeben. Sinngemäß stand da, man würde nachts mehr Aufsehen erregen, weil weniger Leute auf der Straße waren und man naturgemäß eher auffiel. Außerdem wusste man nicht, ob jemand hinter der Gardine spannte, ein Liebespärchen sich in der Hausecke, im Auto oder auf der Bank vergnügte oder andere Hausbewohner, mehr oder weniger betrunken, aufkreuzten. Die Fabrikarbeiter und Nachtschwestern nicht zu vergessen.
Heiner sah sich um. Jetzt war es 11 Uhr morgens. Alle, die Arbeit hatten, befanden sich an ihrem Arbeitsplatz, die Hartz-IV-Schmarotzer schliefen entweder oder sahen sich Teleshopping an, wenn sie nicht irgendwo »schwarz« arbeiteten. Trotzdem gab es hier und da reges Treiben, aber nur, weil er genau hinschaute. Es war so, als hätte man sich beim Händler ein silberfarbenes Auto bestellt und sähe ab sofort nur noch silberfarbene Wagen herumfahren, eben weil man besonders darauf achtete. Heiner beschloss, es morgen früh zu einer anderen Zeit wieder mit der Entsorgung zu probieren. Die Plastiktruhe wollte er so lange im Wagen lassen. Diese Nacht würde auch wieder kühl werden. Ob er den Kofferraum offen lassen und hoffen sollte, jemand würde sich am Inhalt vergreifen?
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