Mordsdeal
Dann wäre er fein raus, würde den Wagen anderntags sofort woanders hinstellen oder verkaufen und hätte so eine weitere Regel beherzigt: Vermeiden Sie, in irgendeinen Zusammenhang mit dem Mord gebracht zu werden.
*
Noch Tage später gingen Gitti die Neuigkeiten, die sie von Daniel Looser gehört hatte, nicht aus dem Kopf. Sie verstand nicht, dass Heiner es nötig gehabt hatte, sich regelmäßig in diesem Club zu treffen. Ihr gegenüber spielte er immer den erfolgreichen Geschäftsmann mit dem hohen Selbstvertrauen, das sich im Umgang mit Gitti jedoch nur in Tyrannei ausdrückte. Das Einzige, was Heiner ähnlich sah, war, wie er den jungen Mann um seine Idee betrogen und sie nun alleine verwirklicht haben soll. Trotzdem blieb es für Gitti keine besonders gelungene Idee. Das war illegaler Tablettenhandel und stand sicher unter Strafe. Es gab bestimmt Gesetze und Verordnungen dafür. Auf alle Fälle lag Betrug vor, wenn nicht noch Schlimmeres damit geschah. Heiner war kein Mediziner und überhaupt, woher bezog er die Tabletten, und wie und an wen verkaufte er sie weiter? Gitti wurde heiß, wenn sie nur daran dachte. Wo hatte Heiner sich da wieder reingeritten, und warum hatte er sie nicht eingeweiht? In ihr kam ein böser Verdacht auf. Womöglich führte er irgendwo ein Doppelleben, gab sich als Apotheker aus und trieb sich mit seiner Geliebten herum.
Das würde die vielen nächtlichen Fahrten erklären. Wenn Heiner tatsächlich schwach geworden war und Hilla seine Geliebte war, drehte sie ihr den Kopf um. Steckte eine andere dahinter, musste Heiner daran glauben. Sie würde jedenfalls für ein Riesentheater sorgen, aber nur innerhalb der eigenen Reihen, denn ihren guten Ruf im Ort wollte sie keinesfalls verlieren.
6
Nachdem sich Heiner im Kombi zum zweiten Mal mit seiner besonderen Fracht auf den Weg gemacht hatte, irrte er wieder durch die Gegend. Die ungewöhnlich frühe Morgenstunde machte es ihm nicht leichter. Er hatte es hier und da, hier in einem Wäldchen und da in einer Kiesgrube, versucht, den Alten loszuwerden. Es wurde ihm klar, dass die in ihren Kriminalfilmen nicht gründlich recherchierten. Niemandem, also ihm war jetzt kein Fall bekannt, war es bisher gelungen, seine Leiche für immer verschwinden zu lassen. Betonierte man den Toten im Keller ein, kam bestimmt irgendwann jemand auf die glorreiche Idee, umzubauen, vergrub man ihn im Garten, buddelte ein gefräßiger Hund den ersten Knochen aus. Sicher hatte Heiner auch an radikalere Lösungen gedacht: Säure, Einfrieren, Kochen, den Schweinen vorwerfen, aber das war nur möglich, wenn man nicht mit einer Gitti Stöckskes verheiratet war und nicht in einem Ort wie Anrath oder Viersen lebte. Und doch: Vorhin hätte Heiner es beinahe geschafft: Er hatte den Alten im Vakuumsack, bereit zum Öffnen, und im Schutze seines Wagens auf dem Waldboden liegen. Doch da kam eine Querfeldein-Joggerin lautlos an ihm vorbeigerannt und sah sich ständig nach ihm um, als könne sie nicht glauben, was sie da sah. Sie erhöhte schreiend das Tempo und stolperte über eine Baumwurzel. Jammernd hielt sie sich den Knöchel. Was sollte er da machen? Die Frau liegen lassen? Sie hätte ihm die Polizei auf den Hals gehetzt. Er hatte ihr kurzerhand angeboten, sie ins Krankenhaus zu fahren. Nachdem sie sich zunächst heftig dagegen gewehrt hatte und meinte, sie hätte ihre Gründe, nicht in seinen Wagen zu steigen, machte sie es dank seiner Durchsetzungskraft und Hilfe schließlich doch. Er hatte sie davon überzeugt, dass er nur seinen Kofferraum aufräumen wolle und alles immer schlimmer aussehe, als es sei. Außerdem kenne er keinen Mörder, der seine Arbeit unterbreche, um eine Joggerin ins Krankenhaus zu fahren, das meine sie doch wohl damit, und darüber solle sie einmal nachdenken.
Sie tat es und war still.
Später, nach der Verabschiedung und ihren Dankesbekundungen, bemerkte Heiner die großen Container mit den organischen Abfällen auf dem Krankenhaushof – aber auch diese letzte Hoffnung erstarb. Beim Erkundungsgang entdeckte er die dicken Sicherheitsschlösser und sah die vielen Krankenhausschwestern, die hier herumwuselten. Er wäre beinahe ein winziges Stück weitergekommen, aber nur ein winziges Stück und nur beinahe.
Heiner fuhr erschöpft seine gewohnte Strecke Richtung Heimat. An der Niers wünschte er sich, sie wäre ein reißender Strom, der sein Problem schnell ins Meer mitnahm. Aber was er da sah, war ein kleiner, unmerklich fließender
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