Mordsdeal
dich mal zwischengenommen habe.«
»Okay. Dann sieh zu, wie du klarkommst.«
»Was soll das heißen?«
»Ich will nichts mehr damit zu tun haben. Lass mich endlich in Ruhe!« Hilla warf ihr Handy auf den Tisch und heulte hemmungslos.
*
Nachdem Heiner seine letzte Kippe im vollen Aschenbecher des Kombis versenkt hatte, bekam er einen Erstickungsanfall. Er drückte mehrmals heftig auf den Knopf des automatischen Fensterhebers, der seine Tätigkeit seelenruhig begann. Qualvolle Sekunden. Heiner riss die Tür auf. Er beugte sich mit dem Oberkörper nach vorne, röchelte etwas gelassener und sah auf den Asphalt, als stünde dort die Lösung, wie es weitergehen sollte. Er sah Romeos Schuhe, dann seine Jeans, das T-Shirt mit den Wölfen und schließlich sein fragendes Gesicht.
»Kann ich helfen?«
»Wieso bist du nicht in der Uni? Pack mal mit an.«
Noch nie hatte Romeo auf diese Frage geantwortet und noch nie hatte Heiner auf eine Antwort darauf gewartet.
Heiner wuchtete sich aus dem Wagen und öffnete die Kofferraumklappe. Beide Männer zogen die graublaue Plastikbox ein Stück vor, damit sie eine günstige Stelle zum Anpacken für das Herausheben fanden. Heiner kommandierte: »Nicht so weit. Pack hinten an. Mach schon.«
Romeo ließ Heiner alleine weitermachen. Die Box knallte mit der hinteren Seite auf den Boden. Der Deckel hob und senkte sich kurz.
»Pass doch auf.«
»Weißt du was? Du kannst mich mal. Trag doch deine Leiche selbst in den Keller. Ich hab keinen Bock mehr.«
Romeo stopfte die Hände in die Jeanstaschen, drehte ihm den Rücken zu.
»Bleib hier und hilf, sonst …!« Heiner zog an seinem T-Shirt.
Romeo fuhr wie ein Derwisch herum.
»Sonst was? He? Sonst passiert was, wenn ich es nicht mache? Willst du mich wieder schlagen? So, wie du es all die Jahre gemacht hast? Nur zu, schlag doch. Diesmal bin ich aber zuerst dran.« Er holte aus und knallte Heiner die flache Hand ins Gesicht. Danach umklammerte er mit seinen bebenden Armen den Vater und bat schluchzend um Verzeihung.
Ein Auto fuhr langsam an ihnen vorbei und ein Nachbar rollte die graue Tonne an den Straßenrand, drei Häuser weiter. Noch immer seine Hand zum Gruß hochgehalten, besah er sich die Szene und ging kopfschüttelnd weg.
Heiner bemerkte es nicht. Er erwiderte, zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren, die Umarmung seines Sohnes. Es verschlug ihm kurz die Stimme, er flüsterte: »Ich …«, er räusperte sich, »ich kann nicht mehr. Ich weiß, ich bin ungerecht, aber …« Heiner hatte sich gefasst und sprach nun flüssiger, fast aufgedreht: »Ich mache es doch auch für dich. Ich habe da eine Geschäftsidee, die uns reich machen wird.«
Romeo löste sich aus der Umarmung und sah ihn überrascht an.
»Es braucht nur seine Zeit. Ich werde das Geschäft für dich aufbauen, damit du es weiterführen kannst.«
»Aber mein Studium? Ich möchte mein Studium zu Ende machen.« Er ging wieder in Abwehrstellung.
Was bisher für Heiner immer ein Streitgespräch war, überhörte er. Es gab Wichtigeres. »Ach was, noch ist es nicht so weit. Noch kann ich dir nicht alles über die Marktlücke sagen und zeigen, aber – hör zu – es ist ein gefährlicher Handel. Nicht illegal, nein, obwohl manche es behaupten, nein, ich habe mir Neider und Feinde damit gemacht, die vor nichts zurückschrecken. Sollte ich eines Tages …« Heiner stockte, den Gedanken wollte er nicht zu Ende spielen.
»Bist du sicher – Vater? Übertreibst du nicht?« Romeo schaute ihm in die trüben Augen und sah in ihm nicht einen verwirrten, aber einen gealterten Mann, der an seine Grenzen gekommen war.
Romeo ging zum Auto und schloss den Kofferraumdeckel, danach packte er an die zwei Ecken der Truhe und sagte: »Komm, tragen wir erst einmal die Box ins Haus.«
Auch heute Nachmittag war Gitti wieder ins Nachbarhaus zu Hilla gegangen. Sie hatte allmählich ihr Vertrauen wiedergewonnen. Die Überwachungskamera-Attrappe war verschwunden, und seit gestern ließ sie für Gitti das Gartentörchen offen. Hilla rüstete ab. Nun gab es für sie keinen Grund mehr, sich ihre Schwester vom Leib halten zu wollen. Trotzdem musste Gitti der Sache auf den Grund gehen, ob Heiner sich tatsächlich mit Hilla eingelassen hatte. Heute war es an der Zeit, ihren Joker zu benutzen, den rosafarbenen Brief, den Hilla ihrem Heiner geschrieben hatte. Gitti machte gute Miene zum bösen Spiel und tat zunächst so, als seien sie wieder Blutsschwestern, die zusammenhielten. Es kostete sie
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