Mordsdeal
kam sie der Sache schon näher. Mia schwor sich, ihn nicht nach Hause gehen zu lassen, bevor sie mit ihm gesprochen hatte.
Die Zeit verging. Die Clubmitglieder redeten sich in Wallung. Die Stimmen wurden mit zunehmendem Alkoholkonsum immer lauter. Jetzt stand der Riese auf, was nach Mias Meinung gar nicht nötig gewesen wäre, er überragte auch so alle. Mia verstand Wortfetzen wie: »Ist mein letzter Tag … Habe Ziel erreicht … Nicht mehr von Tür zu Tür … Hoffe, es geht euch auch bald so … Werde großes Geld machen.« Mia grübelte: War es der Verein der anonymen erfolglosen Staubsaugervertreter? Vertreter waren es auf alle Fälle. Wie er zukünftig das große Geld machen wollte, wusste Mia. Das konnte nur der Pillenhandel sein und deswegen war sie ja hier.
*
Daniel Looser war es nicht leicht gefallen, sich vom Club zu verabschieden, aber Heiner hatte es ja auch getan, wenn auch nachhaltig. Das hatte er so nicht vor. Dank Gitti Stöckskes besaß er nun alles, was er zu seinem Glück brauchte, und konnte seine Karriere starten. Beim Durchsehen der Unterlagen hatte er ein wenig Angst bekommen. Heiner hatte fast überall handschriftliche Notizen hinterlassen wie: Achtung! Keine Werbung in Altenheimen! Keine Anzeige in Zeitungen! Keine anderen Pillen verkaufen! Daniel L. aus dem Weg gehen! Dirk M. nicht mehr ansprechen! Vorsicht, Finanzamt!
Davor hatte Daniel immer Angst gehabt, dass irgendwelche Ämter oder Institutionen auf ihn zukämen, die vom großen Kuchen etwas abhaben wollten oder mit irgendwelchen Abgaben, Strafen oder Vorschriften antrabten und ihm so die Karriere schwer machten. Heiner hatte zudem eine schwarze Liste aufgestellt, bei welchen Kunden er es vergeblich versucht hatte und/oder beschimpft wurde. Die musste er sich einprägen. Nichts war schlimmer als verärgerte Alte und klagungswillige Rentner. Das mit den Altenheimen leuchtete ihm ein. Es gab dort zwar eine Menge potenzieller Kunden, er konnte sich jedoch vorstellen, dass Heimleitungen und zuständige Ärzte streng kontrollierten, um sich selbst den Rücken freizuhalten. Also war Daniel froh, bereits so viele Informationen zu haben. Na ja, und dann war da noch dieser Stephan Wagner, der Großkunde. In dem Zusammenhang fiel ihm ein, dass er sein Büro noch ein wenig aufräumen musste, bevor er sein erstes Verkaufsgespräch hatte. Vielleicht kannte diese Pflegerin noch andere Alte. Er stand ja gerade erst am Anfang seiner Karriere und musste ein wenig Geduld haben. Heiner hatte ja auch noch nicht viel daraus machen können, wobei er immer der Meinung gewesen war, er wäre schon dick im Geschäft. Bliebe die Frage zu klären, woran ihr Oberhaupt letztendlich gestorben war, nicht für ihn, sondern für die Witwe und ihren Sohn. Es nagte die ganze Zeit an ihm. Er hatte Heiner nur warnen wollen …
Nun war Daniel nach einem Kurzen zumute, das alles war ihm auf den Magen geschlagen.
*
Nach und nach gingen die ersten Clubmitglieder. Der Kleine, der dicke Blonde und der mit der großen Nase. Mia bezeichnete so die Leute, die ihr fremd waren. Auf die Art fiel es ihr leichter, sie sich einzuprägen. Schwierig wurde es nur, wenn sie sie direkt mit Namen ansprechen musste.
Der Riese erhob sich und strebte in Richtung Mia. Es war alles eine Frage der Perspektive. Dort hinten in dem Raum sah er schon groß aus, aber jetzt, da er sozusagen neben ihr stand, bekam sie Nackenschmerzen, wenn sie zu ihm hoch sah.
»Herr Looser?«, rief sie nach oben. »Darf ich Sie einen Moment sprechen?«
Daniel sah sie verdattert an. Seine Hände zuckten. Hatte er etwa Angst vor ihr? Das war Mia ja noch nie passiert. So angsteinflößend hatte sie sich zu Hause im Spiegel gar nicht empfunden.
»Ja, bitte?« Seine Stimme klang höher als vorhin.
»Mein Name ist Doris Fechter. Ich habe gehört, Sie handeln da mit etwas ganz Besonderem, etwas, das alte Leute wieder auf Trab bringt?«
Daniel sah sich um, und Mia rechnete damit, dass er ihr jeden Moment den Mund zuhielt und sie in den Nebenraum zerrte, um sie zum Schweigen zu bringen. Stattdessen machte er es sich viel einfacher: »Kommen Sie, wir gehen nach nebenan. Es muss ja nicht jeder mitbekommen. Ich habe einen elitären Kundenkreis, den möchte ich auch beibehalten.«
»Tschö, Daniel – und wennse mal einen Mitarbeiter für dein neues Jeschäft brauchs, ich machet jerne oder is dat schon deine Hilfe? Hasse jut ausjesucht.«
Daniel verdrehte die Augen. »Tschüs, Winnie.«
Mia folgte ihm zu den
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