Mordsdeal
darf. Diskretion ist hier Ehrensache und der Club anonym.«
»Alkoholiker?«
»In einer Kneipe? Als Konfrontationstherapie?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, wir sind uns noch nicht ganz einig, warum sie sich treffen. Also gut, wir wissen es wirklich nicht. Im Vertrauen: Wir haben unter uns Wetten abgeschlossen.«
»Was gibt es denn da so zur Auswahl?«
»Anonymer Club der Fernsehverweigerer – Club für unverstandene Ehemänner …«
»Gehen die nicht ins Bordell?«, fragte Mia.
»Anscheinend nicht alle.« Sie zögerte. »Wir wissen es ja auch nicht, sehen nur, wie unglücklich die Männer alle aussehen.«
»Schade, dass ich die Zusammenkunft letzte Woche verpasst habe. Ich hätte da gerne mal Mäuschen gespielt. Kennen Sie vielleicht trotzdem einen Daniel …«
»Wieso verpasst? Sie werden gleich kommen. Sie haben ihren Termin verschoben, wegen eines Trauerfalls.«
Mia strahlte. »Danke für die Info. Kann ich noch mitwetten?«
»Von mir aus, wenn Sie uns nicht verraten und die 10 Euro sofort bezahlen.«
Mia suchte in ihrer Tasche und legte die beiden Fünf-Euro-Scheine auf den Tresen.
»Nur Männer?«, fragte Mia nach. Die Bedienung nickte.
»Ich tippe auf den anonymen Club der Tellerwäscher. Für die sind doch bestimmt schlechte Zeiten angebrochen.«
Das Mädel lächelte mitleidig. »Ist das ein Beruf?«
Die Blonde kam zurück. »Was ist mit der Bestellung von Tisch vier? Die werden langsam ungeduldig.«
»Ist fertig.« Sie strich sich eine Strähne hinters Ohr. » Da kommt der Erste«, flüsterte sie zu Mia und beugte sich vor. »Sieht der etwa so aus, als ob …? Wieso anonym?«
Mia schüttelte den Kopf. »Na, die geben ihren Beruf doch immer erst zu, wenn sie Millionär geworden sind. Das hier ist mit Sicherheit der anonyme Club der erfolglosen Tellerwäscher.«
»Guten Abend«, sagte das erste Clubmitglied kleinlaut und marschierte durch zum Nebenraum. Der Mann hatte eine Bürstenfrisur und schlohweiße Haare. Danach folgte ein kleinerer, ein fast zu kleiner Mann für Mias Empfinden, und als hätte der liebe Herrgott sie erhört, oder wer auch immer, betrat kurz darauf ein Riesenkerl von fast zwei Metern den Raum. Während die anderen irgendwie müde und traurig aussahen, machte der Riese alles andere als einen depressiven Eindruck. Das Mädel hatte sie da auf eine falsche Fährte geführt. Allerdings folgten dann zwei Männer, die wieder den Eindruck machten, sie hätten als Niederrheiner die Kölner dazu bekommen.
Mia setzte sich so, dass sie die Gruppe Männer im Nebenraum beobachten konnte. Zwar verstand sie nicht alles, was sie sprachen, aber wenn der Große redete, hörte sie es deutlich heraus. Sein Resonanzkörper gab mehr her. Hoffentlich war er heute ziemlich gesprächig.
Dieser Club unterschied sich nur in einem Punkt von den anderen. Es wurde zwar getrunken und geraucht und durcheinander gesprochen, aber gelacht wurde nicht. War es der anonyme Club der humorlosen Männer? Dann hätten viel mehr anwesend sein müssen, dann müsste auch Bodo mal ab und zu hierhin kommen, besonders wenn sie ihre hellblaue Strickjacke trug oder so verrückte Dinge machte, die ihr spontan einfielen. Darüber konnte er nie lachen, wenn sie sich plötzlich bei einem Spaziergang entschloss, an einem Spielplatz Halt zu machen, um zu rutschen, oder auf dem Trödelmarkt Micky-Maus-Hefte kaufte, die sie in ihrer Kindheit mal gelesen hatte. Im Gegenteil, er wurde dann wild und fragte jedes Mal, warum sie keine Erzieherin im Kindergarten geworden sei, da könne sie den ganzen Tag herumalbern. Das sollte er mal einer Erzieherin sagen.
Mia sollte sich eher auf ihre Arbeit konzentrieren, durfte sich nicht in Erinnerungen verlieren. Jedes aufgeschnappte Wort war wichtig. Obwohl der Club anonym war, sprachen sie sich alle mit Vornamen an, soweit Mia es verstehen konnte. Der Kleine sprang auf und drehte sich auf Mias Höhe noch einmal nach hinten zu den anderen.
»Winnie, wat krisse noch mal?«
Der Bürstenkopf rief zurück: »Ne Prellbock mit Schotternudeln.«
»Daniel, du krissen Doppelten, oder ne I-enfache?«, rief er, und der Riese antwortete: »Nein, danke, ich muss einen klaren Kopf behalten. Ich trinke eine Cola. Bestell mir eine Mettwurst dazu.«
»Du minnst Schaffners Ding?«
Mia war die Einzige, die lachte. Daniel hieß also Daniel und nicht Däniel. Dann war sein Nachname vermutlich niederrheinisch und wurde mit einem Doppel-O ausgesprochen, so als sei ein H in der Mitte, eben Looser. Nun
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