Mordsdeal
halten.
Zu dumm, dachte Lilo, dass ausgerechnet heute eine Krankmeldung vom Kollegen Tim Kelter auf den Tisch geflattert war. So schnell hatte sie keinen Ersatz bekommen. Sonst hätte er diesmal die Sache in die Hand nehmen können, und sie hätte dann ausnahmsweise einmal die Befragungen in der Nachbarschaft durchgeführt.
Die Hauptkommissarin fand die Straße auf Anhieb. Sie hatte jedoch Zweifel, ob sie hier richtig war. Nr. 240b sah aus wie ein von Pennern belagertes Haus. Erst als sie die Wagen ihrer Kollegen sah, wusste sie, hier musste es sein. Lilo ging näher. Eine Schande war es, ein derartiges Gründerzeithaus so zu vernachlässigen. Auch wenn kein Geld vorhanden war, so blieb immer noch die Arbeitskraft zum Müll entsorgen, Unkrautjäten, Aufräumen und Säubern. Sie klingelte, noch nicht einmal ein Namensschild gab es. Niemand öffnete. Lilo benutzte den Seiteneingang durch den Wildgarten. Sie überblickte die angetroffene Situation sofort. Die Kollegen von der Streife waren schon da und hatten die Tonne großzügig abgesperrt, die KTUler wuselten umher. Eggi, der Leichensachbearbeiter, war wie immer die Ruhe selbst.
Auf dem Weg zu ihm sah Lilo einen großen Mann leichenblass auf einem Stapel Gehwegplatten hocken. Den Kopf hatte er in den Händen vergraben. Wüsste sie nicht, dass der Tote in einer Biotonne steckte, sie könnte vermuten, dass er … Aber so musste es der Besitzer des Hauses und der Leiche sein.
Sie winkte Klaus, den Streifenpolizisten, heran und gab ihm die Anweisung, sich um ihn zu kümmern, ihn ins Haus zu schaffen, alles aufzunehmen und, wenn nötig, einen Arzt zu rufen. Da kam auch schon Mia Magaloff auf Lilo zu. Sie erkannte sie bereits von Weitem an ihrer Größe und den langen Haaren. Nein, eher an der Kleidung, die meistens schrill und farbenfroh war.
Hauptkommissarin Lilo Schütz begrüßte sie mit einem knappen: »Hallo Frau Magaloff.«
Mia grüßte zurück, zeigte mit gestrecktem Arm auf die braune Tonne, was nicht nötig gewesen wäre, denn Lilo hätte mit geschlossenen Augen dorthin gefunden.
Sie hob das Flatterband hoch und ging zu Eggi. Er sah in die Tonne, als sei sie die Öffnung einer Jauchegrube. In unmittelbarer Nähe war der Verwesungsgeruch nur schwer auszuhalten. Er erinnerte sie an die Male, an denen Schwiegermutter für ihren Sohn Nierchen gekocht hatte. Das drehte ihr jedes Mal den Magen um. Lilo sah jetzt auch hinein. Kein Zweifel, eindeutig Eggis Aufgabe. Er war einer der fähigsten Mitarbeiter und machte das Unmögliche möglich. Als Leichensachbearbeiter zeichnete er sich durch seine Cleverness aus. Er ging voll und ganz in seinem Beruf auf, ließ keine Fortbildung aus und überlegte sogar, Rechtsmediziner zu werden, weil ihn der Tod nach dem Leben am meisten interessierte.
Eggi zupfte nervös an seinem Anzug. Sie stellten sich abseits.
»Und? Was sagst du dazu?«, fragte sie ihn.
»Hallo Lilo, also, einfach wird das nicht. Da muss ich passen. Das muss der Mediziner klären, aber der wird dir auch nicht mehr sagen können, weil er nicht darauf spezialisiert ist. Also brauchst du einen Experten.«
Lilo nickte. »Ja, sicher.« Wieso war sie nicht gleich darauf gekommen? Nichts gegen den Rechtsmediziner, aber nur mit Sätzen wie: ›Die von Maden zerfressenen Körperteile weisen einen …‹ oder: ›Wie lange der Tote in der Tonne gelegen hat, ist nicht genau zu sagen‹, war nichts zu machen. Das reichte keinesfalls aus, und wenn nicht gerade glaubwürdige Zeugen zur Verfügung standen oder der Mann, der ins Haus gebracht wurde, der Mörder war, mussten sie die Akte ungelöst schließen. Dann regte sich die Presse wieder auf, weil die immer meinten – und es auch noch verbreiteten – jeder Fall müsse ruckzuck geklärt werden und jeder Fingerabdruck, den sie fänden, sei brauchbar. Wenn er überhaupt verwertbar war, dann war er nicht zwingend in der Datei gespeichert.
»Kennst du den Benecke?«, fragte sie Eggi.
»Klar kenne ich den forensischen Entomologen. Wollte ich gerade vorschlagen. Er kann die Liegezeit des Toten bei Maden und Käferbefall bestimmen. Macht er anhand der verschiedenen Entwicklungsstadien der Tiere unter Berücksichtigung der Umgebung und der Begebenheiten. Hochinteressant.«
Lilo nickte. Komplizierter hätte er nicht antworten können. »Ich komme gerade von seinem Seminar. Die Diashow war beeindruckend. Was der da alles erzählt und gezeigt hat … Anschließend bin ich mit ihm über unsere Toten ins Gespräch gekommen
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