Mordsdeal
den Dingern.
Daniel öffnete den Reißverschluss des schwarzen Sackes, so, als müsste er sich selbst vergewissern, was er da hineingeworfen hatte. Er schrie wie ein abgestochenes Kälbchen und wich zurück. Mia ergriff die Flucht nach vorn und sah hinein. Sie überwand ihren Ekel. Deutlich erkannte sie weiße Haarbüschel, die zu einem Greisenkopf gehörten. Mia ließ es nicht zu, dass ihr übel wurde, zückte ihr Handy und wählte die Nummer der Kommissarin.
*
Mia bekam Hauptkommissarin Lilo Schütz sofort an den Apparat.
»Da haben Sie aber Glück, ich bin gerade von einer Fortbildung zurück und zur Tür rein. Haben Sie das gerochen?«
»Kommt drauf an, was Sie meinen. Es wäre gut, wenn Sie hier mal riechen kommen könnten. Hier stinkt etwas gewaltig.«
»Und es wäre sehr hilfreich, Frau Magaloff, wenn Sie nicht immer in Rätseln sprechen würden, das verkürzt die Zeit ungemein.«
»Also gut: Wir haben hier einen Toten in der Biotonne stecken, und er macht das, was Tote so an sich haben, wenn sie länger liegen. Seine Kopfhaut löst sich allmählich auf und die ersten Maden mampfen. Ich würde fast behaupten, an ihm ist nicht mehr alles an seinem Platz, wo es hingehört – also, nach dem, was ich bisher von ihm gesehen habe.«
Lilo Schütz warf ihre Tüte in den Mülleimer. Auf Mettbrötchen war ihr der Appetit vergangen.
»Entschuldigen Sie, wenn ich so rede«, Mia merkte die Stille am anderen Ende, »aber sonst müsste ich jetzt laut schreien und mich übergeben.«
»Ist in Ordnung. Zerstören Sie nicht die Spuren am Tatort und lassen Sie bloß Ihre Finger von allem. Und, ach, Frau Magaloff? Ist jemand bei Ihnen, oder wieso haben Sie vorhin: ›Wir haben hier einen Toten‹, gesagt?«
Mia flüsterte: »Ja, das stimmt, und wenn ich Pech habe, ist es sogar der Mörder, aber dann hätte er mich nicht in Ruhe telefonieren lassen. Nur – man weiß ja nie. Bitte beeilen Sie sich.«
*
Nachdem Mia die Adresse durchgegeben hatte, drückte sie auf den roten Ausknopf. Sie besah sich das zweite Häufchen Elend des Tages: Daniel Looser. Er hockte in gebührendem Abstand zur Tonne auf einem Stapel zerschlagener Gehwegplatten und heulte hemmungslos.
»Wer macht denn so was? Wer steckt mir eine Leiche in die Tonne? Würde Heiner noch leben, ich würde den Schweinehund anzeigen. Jawohl, anzeigen und verklagen. Aber er kann es ja nicht gewesen sein.«
Mia schüttelte bestätigend den Kopf. Bis die Kommissarin kam, musste sie versuchen an Informationen zu kommen. Lilo Schütz war da nie so gesprächig, und es interessierte sie brennend, ob es zumindest mit dem Fall Heiner zu tun hatte oder sich hier ein anderer Problemkreis auftat. Hoffentlich klappte dieser Looser nicht vorher zusammen.
»Ist es Ihr Großvater?«, tastete Mia sich langsam heran. Er hatte genauso wenig wie sie vom Toten gesehen. Sollte er es jetzt zugeben, dann wusste sie, wer ihn in die Tonne gesteckt hatte. Zugegeben, ein simpler Trick, aber vielleicht wirksam.
Daniel Looser schluchzte auf.
Treffer. Das war einfach. Dann kam er eventuell doch als Mörder in Betracht. Es konnte ja sein, dass er in der Aufregung vergessen hatte, dass der Alte noch in der Tonne steckte, und Mia nur aus Versehen zum Hintereingang geführt worden war, oder warum wollte Daniel Looser vorhin kurzfristig umdrehen? Den Alten nach seinem natürlichen Tod auf diese Art zu entsorgen, machte auch Sinn. Es brachte mehr Rente, dachte Mia. Sie wünschte sich nicht, dass ihm die nächsten fünf Minuten bewusst wurde, dass sie eine Zeugin war und die Polizei geholt hatte.
Daniel schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen Großvater mehr. Sind beide schon lange tot.«
Mia überlegte krampfhaft. Es kam ja vor, dass auch jüngere Männer graue Haare bekamen. Aber sie fragte nun nicht nach seinem Vater, wollte nicht noch einmal danebenliegen.
Die Lösung kam von alleine und doch nicht.
»Ich kenne den Toten nicht.«
*
Hauptkommissarin Lilo Schütz erledigte ihren üblichen Rundruf, angefangen bei ihren Kollegen von der Streife über die KTUler bis hin zum Leichensachbearbeiter. Den StA Kleve, Zweigstelle Moers, informierte sie wie immer als Ersten telefonisch. Er kam nur in den allerseltensten Fällen an den Tatort. Auch diesmal war er nicht wild darauf, alles in Augenschein zu nehmen, nachdem Lilo ihm geschildert hatte, womit zu rechnen sei. Er eröffnete freiwillig das Ermittlungsverfahren und gab Lilo in gewisser Weise freie Hand, sie sollte ihn jedoch auf dem Laufenden
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