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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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eigentlich gar nicht an Bord, sie wäre labil gewesen und hätte Probleme mit Männern gehabt, von wegen schwanger und so weiter. Sogar Selbstmordabsichten wurden ihr unterstellt. Das ist alles großer Quatsch. Das wollte ich nur mal loswerden.«
    »Okay. Völlig klar. Und was Sie mir erzählt haben, haben Sie meiner Kollegin auch erzählt.«
    »Ja. Sie hat mich sehr gut verstanden und … «
    »… Sie zu mir geschickt«, ergänzte Jung lächelnd.
    »Genau. Wollten Sie mich nicht ausreden lassen?«
    »Entschuldigung. War mir nur so rausgerutscht.«
    »Schon gut. So schlimm sind Sie nun auch wieder nicht.«
    »Nett von Ihnen. Danke.«
    »Also, ich hab gesagt, was ich sagen wollte. Diesmal an die richtige Adresse. Vielleicht kriege ich ja jetzt etwas Schlaf.«
    »Danke, dass Sie mit uns geredet haben. Gehen Sie wieder nach hinten?«
    »Ja. Wieso?«
    »Sagen Sie bitte meiner Kollegin, sie soll zu mir kommen, wenn sie fertig ist. Ich werde sie auch nicht wieder veralbern.«
    »Okay, mach ich«, erwiderte sie lächelnd und stand auf.
     
    *
     
    Es dauerte, und Jung fragte sich schon, ob Charlotte über ihrer Lektüre eingeschlafen war. So dick war die Akte nicht. Und furchtbar aufregend allem Anschein nach auch nicht. Schließlich war es so weit. Sie setzte sich neben ihn und gab ihm die Akte zurück.
    »Da sind Sie ja. Schon fertig?«, begrüßte er sie grinsend.
    Sie sah ihn vorwurfsvoll an und machte keine Anstalten zu antworten. Jung fühlte sich in die Defensive gedrängt. Dann sagte er: »Vielleicht sollte ich was nachholen. War nicht klug von mir.« Als sie weiter stumm blieb, fuhr er fort: »Meine Aufgabe ist es nur, die Staatsanwälte zu beraten. Weiter nichts, verstehen Sie?«
    Sie rührte sich nicht und sah ihn unverwandt an.
    »Okay, okay. Entschuldigen Sie meinen blöden Spruch von vorhin«, bemühte sich Jung weiter. »Aber er trifft im Prinzip zu. Es hat Fehler im Vorfeld gegeben. Ich soll helfen, weitere Fehler auszuschließen. Ich habe Erfahrung in der Marine, die Staatsanwälte nicht, nicht mal, wo sie die Damentoilette finden. Das stammt nicht von mir, sondern … «
    »Ich habe auch keine Erfahrung, Chef!«, unterbrach sie ihn, als wäre sie wieder zum Leben erwacht.
    »Sie sind Praktikantin, Charlotte. Sie tragen keine Verantwortung.«
    »Gut. Das sehe ich ein, Chef.«
    »Schön, dass wir da einer Meinung sind«, atmete Jung erleichtert auf.
    »Sie arbeiten also gar nicht an dem Fall?«
    »Nein.«
    »Und was soll ich dabei?«
    »Lernen.«
    »Was denn?«
    »Die erste Lektion haben Sie bereits ausgelassen. Jetzt gibt es eine zweite.«
    »Das Aktenstudium. Richtig?«
    »Richtig. Ich bin gespannt. Ihre Botschafterin habe ich schon angehört.«
    »Ja, ja. Entschuldigung. Nettes Mädchen, etwas gefühlsduselig. Sie sorgt sich um den guten Ruf der Toten. Nicht weiter bedeutend. Für den Fall, meine ich. Der Hergang scheint mir ziemlich klar.«
    »Berichten Sie. Langsam, bitte.«
    »Wie gesagt, das meiste verstehe ich überhaupt nicht. Ein einziges Kauderwelsch.«
    »Kauderwelsch?«
    »Dieses Seemannslatein! Anluven, Beaufort, Williamsturn, vierkant brassen, Ober-dingsda-Segel, was weiß ich.«
    »Gut. Dann erzählen Sie mir lieber, was Sie verstanden haben.«
    »Okay. Also, das Mädchen hatte Wache an der frischen Luft, vorne am Bug, nachts im Dunkeln. Als Ausguck. Vorschriftsmäßig beim Brückenoffizier angemeldet. Über Sprechfunk mit ihm verbunden. Das Wetter war nicht leicht, aber auch nicht so schwer, dass Segel geborgen oder besondere Sicherheitsmaßnahmen hätten ergriffen werden müssen. Laut Brückenoffizier-Handbuch, wohlgemerkt. Das ist mir übrigens richtig ans Herz gewachsen.«
    »Wieso?«, unterbrach sie Jung.
    »Die haben für alles und jedes Vorschriften und Regeln. Sogar der Wortlaut der Befehle ist exakt festgelegt. In Deutsch und Englisch. Im Brückenoffizier-Handbuch wird alles festgehalten. Ein Monster muss das sein.«
    »So weit klar. Weiter!«
    »Dann gab es vorne einen gellenden Schrei. Sowohl der Rudergänger als auch der Brückenoffizier haben ihn gehört. Der Offizier ruft den Ausguck über Sprechfunk an. Erfolglos. Er leitet auf der Stelle ein Mann-über-Bord-Manöver ein. Das heißt, er stoppt das Schiff und lässt ein Rettungsboot zu Wasser. Die Manöver sind genau beschrieben. Habe aber, wie gesagt, nichts davon kapiert. Laut Aufzeichnungen geht alles wie am Schnürchen.«
    »Exakt nach dem Brückenoffizier-Handbuch, nehme ich an.«
    »Richtig. Es wird in den Aussagen der

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