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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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Schicksalsgenossen hatten sich vornübergebeugt, die Unterarme auf ihre Schenkel gelegt und die Köpfe baumeln lassen. Sie waren der Blödsinnigkeiten, die ihnen auf ihren Reisen rund um die Welt begegneten, überdrüssig, glaubte Jung sie zu verstehen. Der jüngere richtete sich auf.
    »Wir werden ein paar Suchscheinwerfer auf dem Schiff anbauen und die Relings begutachten. Wird aber nicht viel bringen, meiner Meinung nach.«
    »Warum? Was soll es denn bringen?«
    »Na ja, die Suchscheinwerfer sind schon ’ne gewisse Verbesserung. Nachts ist ja ohne Licht absolut nichts zu sehen. Aber bei Seegang, ich weiß nicht. In die Wellentäler sehen Sie auch mit Scheinwerfern nicht rein und die Kämme sind nur sehr kurz im Lichtkegel.«
    »Sie müssten schon sehr genau wissen, wo Sie zu suchen haben«, ergänzte sein Kollege.
    »Und die Relings?«, fragte Jung mit wachsendem Interesse.
    »Ich weiß wirklich nicht, was das soll. Scheint mir überflüssig, daran herumzuschrauben. Eine Reling ist eine Reling. Jeder Seemann weiß das.«
    »Aber in unserem Fall offensichtlich nicht«, warf Jung ein.
    »Eben! Da haben Sie völlig recht. Das Mädchen ist ja sogar über die Luvkante verschwunden. Das geht doch gar nicht! Ein Sailor geht doch nicht über die Luvkante außenbords. Dafür braucht es schon eine besondere Begabung.« Der Techniker schüttelte den Kopf.
    »Und wo fiele ein richtiger Sailor über Bord?«, fragte Jung, neugierig geworden.
    »Gar nicht! Ein richtiger Sailor ist nicht blöd und schon gar nicht leichtsinnig. Wenn überhaupt, dann ist ihm irgendwas passiert. Wenn er, aus welchen Gründen auch immer, den Halt verliert, dann fällt er über die Leekante ins Wasser. Und wenn da ’ne Reling im Weg steht, dann muss er schon vorher sehr heftig was abbekommen haben.«
    »Das ist ja interessant. Was sollen Sie denn an den Relings begutachten?«
    »Ob man da irgendwas machen kann. Von wegen besserer Schutz. Aber meiner Meinung nach ist das kompletter Schwachsinn.«
    »Auch bei hohem Seegang?«
    »Wenn die Brecher einsteigen, hat man da draußen nichts verloren, es sei denn, es ist absolut notwendig. In dem Fall sichert man sich extra ab. Mit Strecktauen und Lifebelts meinetwegen.«
    Der Techniker hatte sich erregt. Jetzt lehnte er sich zurück und winkte gelangweilt ab.
    »Weiber an Bord. Das kann ja nix werden.«
    Jung legte den Kopf wieder in den Nacken und starrte gegen die Decke. Nichts als Gipsplatten und Leuchtstoffröhren. Er versuchte, sich vorzustellen, wie es dem Mädchen da draußen auf dem Schiff, auf ihrem Posten bei Wind und Wellen, ergangen war. Was hatte sie bewegt, wie war ihr zumute gewesen, an was hatte sie gedacht und was hatte sie getan, dass sie in Todesgefahr geraten und darin umgekommen war? Wenn er ehrlich war, dann wusste er nicht viel, jedenfalls lange nicht genug, um zu einem fundierten Urteil zu kommen. Seine Fantasie reichte nicht aus, sich in die Lage der jungen Frau zu versetzen. Er hatte noch nie einen Fuß auf einen Dreimaster gesetzt, war noch nie auf einem Segelschulschiff zur See gefahren und hatte keine Vorstellung davon, was es heißt, nachts bei Windstärke sieben und zwei Meter Seegang auf dem Vorschiff eines Großseglers Wache zu gehen. Aber ihre Ausbilder hatten das zu wissen. Dafür waren sie da und dafür waren sie ausgewählt worden.
    »Spielen Sie Skat?«
    Jung wurde jäh aus seinen Gedanken gerissen und richtete sich auf.
    »Ja, leidlich«, reagierte er verdattert. »Früher habe ich öfter gespielt.«
    »Früher?«
    »In meiner Studentenzeit.«
    »Ah, so! Prima. Für Gelegenheiten wie diese haben wir ein Kartenspiel dabei.«
    »Wir spielen gern eine verschärfte Version«, fügte der jüngere munter hinzu. »Heißt Molotow, nach dem ehemaligen Außenminister der Sowjetunion, Gott hab sie selig«, kicherte er.
    »Und wie geht das?« Jung fand Gefallen an dem Gedanken, sich die öde Zeit mit einem Kartenspiel namens Molotow zu vertreiben.
    »Das Reizen fällt flach. Der Spieler links vom Geber muss das Spiel machen. Auf fünf Karten wird angesagt: Grand, Farbe oder Ramsch. Nach drei Runden, wenn jeder die drei Möglichkeiten durch hat, kommt die sogenannte Genickschussrunde. Das heißt, Ansage, ohne eine einzige Karte gesehen zu haben, mit anderen Worten, auf blauen Dunst. Nach zwölf Spielen ist dann Schluss. Ansonsten gelten die Skatregeln inklusive Zählen und Abrechnen. Ein Cent pro Punkt.«
    »Die Chancen sind gleichmäßiger verteilt. Jeder muss spielen. Mauern ist

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