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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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nicht.«
    »Sicher?«
    »Sicher!«
    »Und eine Auflistung ihrer Hinterlassenschaft, gibt es die?«
    »Nicht in der Akte, Chef.«
    »Na gut. Ich habe übrigens mit dem Staatsanwalt vereinbart, dass Sie an den Vernehmungen teilnehmen.«
    »Die neue Lektion?«, fragte sie emotionslos.
    »Lektion Nummer drei, ja. Bringen Sie die Akte dem Staatsanwalt bitte zurück. Sie haben doch nichts durcheinandergebracht, oder?« Er reichte ihr den Ordner und lächelte sie an.
    »Nein. Das ist nicht meine Art.«
    »Hätte mich auch gewundert. Ich glaube, wir sollten versuchen, noch ’ne Mütze voll Schlaf zu kriegen.«
    Sie erhob sich und verschwand nach vorne. Als sie nach einer längeren staatsanwaltlichen Einweisung in die Gepflogenheiten bei Vernehmungen zurückkam, hatte Jung seinen Kopf in ein Kissen gekuschelt und an die Kabinenwand gelehnt. Er schien eingeschlafen zu sein. Er hing so entspannt in seinem Sitz, dass er herauszurutschen drohte. Sein Anblick erinnerte sie entfernt an einen kleinen Jungen. Aber das Bild erregte keine Rührung in ihr. Sein Unterkiefer war heruntergefallen und sein Mund stand offen. Die linke Wange hing schlaff über dem Kragen seines Hemdes. Er sah irgendwie blöd aus, stellte sie mit Bedauern fest.

Zwei Techniker
     
    »Welcome to Canada, Mr. Jung.«
    Die Beamtin blätterte in seinem Pass und schien darin zu lesen wie in einem Roman. Die Staatsanwälte und die Praktikantin waren schon lange vor ihm in der Halle verschwunden und hinter ihm stauten sich die Kadetten.
    »What’s your business in Canada, Mr. Jung?«
    »Consulting and investigation.«
    Die Beamtin hob den Kopf und musterte ihn.
    »Okay, Sir. It will take just a minute. Please follow me.«
    Jung wollte fragen, was los sei. Ihm fielen nicht gleich die richtigen Vokabeln ein und er folgte der korpulenten Frau wortlos und mit einem Gefühl der Unsicherheit. Sie führte ihn einen langen Flur entlang und komplimentierte ihn am Ende in ein Wartezimmer. Hinter Jung schloss sich die Tür.
    Der Raum hatte den Charme einer Gefängniszelle. Vor ihm hatte zwei Männer das gleiche Schicksal ereilt. Sie saßen stumm auf ihren Plastikstühlen und sahen ihn aus ergebenen Augen an.
    »Hallo«, begrüßte sie Jung.
    »Willkommen in Nordamerika«, kam es mit falscher Fröhlichkeit zurück. »Wir kennen das schon, Herr … ? Wir sind übrigens mit der gleichen Maschine gekommen wie Sie.«
    »Ich habe Sie gar nicht gesehen. Ich heiße Jung. Angenehm.«
    Die beiden nannten ihre Namen. Er könne sie auch gar nicht gesehen haben, beruhigten sie ihn. Sie hätten bei den Piloten vorne im Cockpit gesessen. Sie seien Techniker vom Marinearsenal Kiel und öfter zu Auslandseinsätzen unterwegs. Sie hätten das gleiche Ziel wie er. Jung unterließ zu fragen, woher sie wussten, welches Ziel er hatte. Er glaubte, die Antwort auch so zu kennen.
    »Der ganze Wirbel um den Unfall. Auch wir sind deswegen hier«, bestätigte der jüngere Jungs Vermutung.
    »Warum hält man uns fest?«, kam Jung zur Sache.
    »Wohin sind Sie in letzter Zeit eingereist?«, fragte der ältere sarkastisch. »Nach Nahost, nach Afrika oder etwa nach Cuba?«
    »Afrika. Dschibuti, um ganz genau zu sein.«
    »Von denen haben wir auch einen Stempel im Pass. Das dauert.«
    »Was dauert?«, fragte Jung alarmiert.
    »Die checken jetzt in aller Ruhe alle Negativ-Listen in allen Computern rund um die Welt. Natürlich nur die, in die sie reinkommen. Und das sind viele. Wir wissen davon ein Lied zu singen. Seien Sie froh, dass Sie nur einen falschen Stempel im Pass haben. Wir haben auch noch verdächtig schweres Gepäck.«
    »Und was ist damit?«, fragte Jung verwirrt.
    »Ersatzteile und Werkzeuge. Wir hätten lieber Schlafsäcke mitnehmen sollen.«
    Jung setzte sich und legte den Kopf in den Nacken. Er erinnerte sich, davon gehört zu haben. Der Sicherheitsfanatismus der USA hatte paranoide Züge angenommen. Das schien abzufärben. Was hatte der Marineattaché in Ottawa eigentlich unternommen, fragte er sich. Waren die Staatsanwälte schon unterwegs? Wohin? Was machte Charlotte? Den Galgenhumor seiner Zellengenossen würde er sich noch erarbeiten müssen.
    »Machen Sie sich’s gemütlich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten«, lachte der jüngere gallig.
    »In Singapur hatten wir es neulich besser«, fügte der ältere höhnisch hinzu.
    Jung hatte genug gehört. Er versuchte, sich in Geduld zu üben.
    »Sie sagten eben, Sie seien wegen des Unfalls hier«, stellte er nüchtern fest. Seine

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