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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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zusammenzubinden und dichtzuschnüren. Er prüfte abschließend noch einmal, ob auch das letzte Zipfelchen unter der prallen Außenhaut verschwunden war. Dann warf er sich die Riesenwurst über die Schulter und eilte den Niedergang hoch an Oberdeck.
    Die Sonne war aufgegangen. Ein frischer Wind blähte die Segel. Das Schiff krängte leicht. Er hatte kein Auge und kein Gefühl für seine Umgebung. Sein Blick erfasste den Musterungsplatz auf dem Mitteldeck. Die Ausbilder warteten darauf, dass der Schiffsbauch seine schläfrige Fracht ausspuckte. Unterhalb des Schornsteins standen sie breitbeinig auf dem Teakdeck und unterhielten sich mit … dem Rotschopf. Wie immer stand er als Erster an seinem Platz, vor sich den makellos geschnürten Sack, das ewige Grinsen im Gesicht.
    »Guten Morgen, Kadett Wötzel. Geht doch. Weiter so!«, begrüßte ihn sein Ausbilder.
    Er unterdrückte den derben Fluch, der ihm auf den Lippen lag.
    »Guten Morgen, Herr Obermaat.«
    Am liebsten hätte er ausgespuckt. Fängt an wie ein richtiger Scheißtag, dachte er. Wortlos stellte er sich neben den Rivalen, den Sack vor sich aufgestellt. Er stierte auf die vorbeirauschende See und wartete geduldig ab. Nach Jens und ihm kam eine Zeit lang niemand. Dann trollten sich die ersten verschlafenen Gestalten an Deck und bauten sich neben ihnen zu einer Reihe auf. Es waren fast immer die gleichen Typen. Sie gingen in der Regel ohne Beanstandung durch. In der zweiten Reihe standen die langsameren und lässigeren Kameraden. Ganz hinten reihten sich die müden und gelangweilten ein. Nach einiger Zeit auf See gab es auch einige widerwillige. Sie krochen als Letzte an Deck zusammen mit den Mädels.
    Seine Augen folgten Ellen, wie sie, ihre gerollte Hängematte mit beiden Armen umklammernd, an Deck stolperte. Das Ding schien sie zu erdrücken. Der Scheiß hört auch niemals auf, fluchte er lautlos vor sich hin. Was für ein Rindvieh muss ich gewesen sein, dass ich mich mit der eingelassen habe, dachte er bitter. Was hatte sie ihm da oben zugerufen: Hilf der Mutter deines Kindes? Zum Teufel auch! Die spinnt doch. Die kann doch nicht im Ernst glauben, dass ich ihr das abnehme nach der coolen Nummer, die sie abgezogen hat. Was sollte das Ganze? Wahrscheinlich war sie da oben nur in Panik geraten, beschwichtigte er sich. Weiber sagen da schon mal ziemlich abgefahrene Sachen. Nur so aus Scheiß, um zu sehen, wie man reagiert. Warum musste sie auch unbedingt da oben im Großmast rumturnen? Am Besan hätte sie ganz easy an Deck bleiben und an den Tampen reißen können. Was treibt diese Weiber nur an?, fragte er sich nicht zum ersten Mal. Was wollen die überhaupt auf diesem Schiff? Genügt es nicht, wenn wir uns den Arsch aufreißen und uns dabei auch noch anbrüllen lassen? Verdammte Axt, hatte sie vielleicht tatsächlich andere Sorgen?, begann er zu zweifeln. Schwanger zu sein, ist das Allerletzte, was man hier brauchen kann. Gesagt hat sie aber nichts. Vielleicht weiß sie es selbst erst seit Kurzem, überlegte er. Verdammte Scheiße! Was ist, wenn es stimmt? Nee, nein, niemals, das darf nicht sein. Er wollte Offizier werden und nicht Vater. Das war so total klar wie sonst nichts anderes auf der Welt. Das muss sie einfach kapieren, feuerte er sich an, egal, was passiert ist. Wenn nicht, wird sie’s halt auf die harte Tour lernen müssen. Dafür ist so’n Schiff doch da. Nur deswegen sind sie überhaupt hier, versuchte er sich zu überzeugen.
    Er stierte geradeaus über das Meer an den Horizont. Kein Schiff, nichts als Leere und Wasser. Selbst der Himmel war leer. Reichlich öde, dachte er.
    »Kadett Wötzel, was ist los? Sind Sie krank?«, rief ihn sein Ausbilder an.
    Er erschrak und sah sich verdattert um. Dann ergriff er hastig sein schweres Bündel, warf es sich über die Schulter und rannte hinter seinen Kameraden her nach vorn an das Schott zum Niedergang. Hatte er was Wichtiges verpasst? Musste er jemanden fragen? Mist aber auch, das hatte man nun davon.

Die Passagierin
     
    »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
    Jung schreckte hoch, drehte sich um und hatte eine Uniform vor der Nase. Sie gehörte einer jungen Frau.
    »Ja, bitte sehr«, entgegnete er zögerlich und sah sie forschend an.
    »Ihre Kollegin hat mich zu Ihnen geschickt, befohlen sozusagen«, beeilte sie sich zu erklären und lächelte verlegen.
    »So, hat sie das. Das ist aber nett von ihr.«
    Sie lachten, und Jung lud sie mit einer Geste ein, sich neben ihn zu setzen.
    »Ich bin tatsächlich

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