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Mordsfreunde

Titel: Mordsfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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ein Meister der Manipulation. Er zeigt jedem Menschen das Gesicht, das derjenige gerade sehen will oder das ihm für seine Belange nützlich erscheint. Jeder sieht in Lukas also nur das, was er sehen will. Den wahren Lukas kennt überhaupt niemand.«
    Sander stützte nachdenklich das Kinn auf seine geballte Faust.
    »Ich glaube, da überschätzen Sie den Jungen«, antwortete er. »Sie haben recht, er sieht gut aus und macht einen selbstsicheren Eindruck, aber eigentlich ist er ein zutiefst verunsicherter, sehr sensibler junger Mann auf der Suche nach Anerkennung und Rückhalt, die er von seinem Vater nicht bekommt.«
    »Sie mögen ihn«, stellte Bodenstein fest.
    »Ja, das ist wahr«, bestätigte Sander, »ich mag Lukas. Er hat einige sehr traumatische Erlebnisse verkraften müssen, als er klein war. Es tut mir in der Seele weh, dass er jetzt wieder leiden muss.«
    »Pauly wurde vor seiner Küchentür erschlagen«, sagte Bodenstein. »Seine Leiche wurde auf die Ladefläche Ihres Pick-ups geladen und lag dort etwa vierundzwanzig Stunden lang, bevor sie auf die Wiese gelegt wurde. Dazu gehört etwas.«
    »Genau. Kaltblütigkeit oder Hass. Beides traue ich Lukas gerade in Bezug auf diesen Pauly ganz und gar nicht zu. Im Übrigen hat der Junge noch nicht einmal einen Führerschein.«
    »Wem trauen Sie es dann zu? Wer von Ihren Mitarbeitern, der Zugang zu dem Fahrzeug hatte, kann Pauly so sehr gehasst haben, um so etwas zu tun?«
    »Niemand.«
    »Dann frage ich mal anders: Wer von Ihren Mitarbeitern kann Sie so sehr hassen, um Ihnen mit dieser Tat eins auswischen zu wollen?«
    »Sie denken, dass dies alles passiert sein könnte, um mir einen Mord in die Schuhe zu schieben? Warum?« Sander lächelte ungläubig.
    »Vielleicht wollte sich jemand an Ihnen rächen. Gibt es einen ehemaligen Mitarbeiter, den Sie entlassen haben und der sich ungerecht behandelt fühlte?«
    Zoodirektor Sander legte die Stirn in Falten und dachte nach. Bodenstein beobachtete ihn scharf.
    »Einen gibt's tatsächlich«, sagte er nach einer ganzen Weile zögernd. »Das war einer von der Sorte Menschen, die sich grundsätzlich benachteiligt fühlen. Er war nur vier Wochen da, aber er hatte keinen Teamgeist, war faul und nachlässig. Ich habe ihn zweimal abgemahnt und dann vor ungefähr einem Monat fristlos entlassen. Er war deswegen so sauer, dass er auf mich losgegangen ist. Wir hatten eine handfeste Auseinandersetzung.«
    »Verraten Sie mir seinen Namen? Ich würde das gerne überprüfen.«
    »Er heißt Tarek. Tarek Fiedler.«
    Bodenstein richtete sich auf. Tarek Fiedler! Das war der Freund von Lukas und Jonas Bock, der in der Gärtnerei in Schwalbach arbeitete und Esther Schmitt an der Ruine ihres Hauses abgeholt hatte! Er hatte Pauly zweifellos gekannt.
    »Sie können gehen, Herr Dr. Sander«, sagte Bodenstein und griff nach der Akte Jonas Bock, die vor ihm auf dem Schreibtisch lag. »Danke, dass Sie gleich gekommen sind.«
    »Bitte«, der Zoodirektor erhob sich und verließ das Büro, ohne Bodenstein die Hand zu geben.
     
    Als Bodenstein eine halbe Stunde später vor der Tür der Wohnung von Tarek Fiedler in einem der Hochhäuser am Ostring in Schwalbach eintraf, prallte er beinahe mit einem jungen Mann zusammen, der mit mehreren Taschen bepackt gerade die Wohnung verließ. Der Junge fuhr zusammen und ließ vor Schreck die Taschen fallen.
    »Bist du nicht Franjo Conradi?« Bodenstein glaubte sich an das Gesicht des Jungen von dessen Besuch auf dem Kommissariat zu erinnern.
    »Ja. Wieso?« Der Junge wich ängstlich zurück. Im schummerigen Licht des fensterlosen Flurs erkannte Bodenstein Verletzungen in seinem Gesicht. Seine Lippe war dick geschwollen, das linke Auge zierte ein Veilchen, seine Brille war verbogen und ein Glas gesplittert.
    »Was ist denn mit dir passiert?«, fragte er.
    »Nichts«, der Junge bückte sich, um die Taschen wieder aufzuheben. Er war klein und schmächtig, seine fahrigen Bewegungen verrieten seine Anspannung. Franjo Conradi hatte Angst.
    »Ist Herr Fiedler in seiner Wohnung?«, fragte Bodenstein. »Ich muss ihn dringend sprechen.«
    »Nein, der ist in der Firma«, erwiderte Franjo nervös. »Ziehst du aus?«
    »Ja«, sagte der Junge wortkarg. Erstaunt bemerkte Bodenstein, dass er mit den Tränen kämpfte. Irgendetwas musste ihn tief erschüttert haben, denn Jungs in seinem Alter würden lieber aus dem 14. Stock eines Hochhauses springen, als vor fremden Leuten zu heulen.
    »Hast du dich mit jemandem geprügelt? Mit

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