Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mordsfreunde

Titel: Mordsfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
Vom Netzwerk:
auf ein Pärchen, das ein Stück abseits an der Burgmauer stand und offenbar miteinander stritt. Pia erkannte den jungen Mann mit den dunklen Locken wieder, der sich Boris Balkan genannt und ihr gestern die Tür zu dem Raum mit den Computern im Grünzeug geöffnet hatte. Auf der Bühne baute die nächste Band ihre Instrumente auf, bejubelt von der Menge, die begeistert die Namen der Bandmitglieder skandierte.
    »Ich muss langsam los«, sagte Pia zu Lukas. »Meine Pferde sind noch auf der Koppel und müssen in den Stall. Aber es war echt ein schöner Abend. Danke.«
    Lukas sah sie an. Sein Gesicht glänzte leicht vor Schweiß, er lächelte nicht.
    »Ach, ich hab auch keine Lust mehr, hier zu bleiben«, sagte er leichthin. »Die anderen beiden Bands interessieren mich nicht so.«
    In Pias Kopf begannen sämtliche Alarmglocken zu klingeln. Mochten es andere Frauen in ihrem Alter schmeichelhaft finden, so viel Aufmerksamkeit von einem jungen, attraktiven Mann zu bekommen – ihr war es nicht ganz geheuer. Sie verließen die Burg, nahmen den Weg durch den Wald. Der Kies knirschte unter ihren Schuhen, als sie schweigend nebeneinander hergingen. Unwillkürlich dachte Pia an Behnkes spöttische Bemerkung vom Nachmittag.
    »Ich liebe die Burg«, sagte Lukas nach einer Weile. »Es ist zwar streng verboten, aber wir machen hin und wieder heimlich Partys in den Gewölben oder hängen da einfach nur ab. Mittlerweile kennen wir jeden Winkel besser als die Leute vom Burgverein.«
    »Das haben meine Freunde und ich früher auch getan«, erwiderte Pia. »Gerade weil es verboten war, hat es so viel Spaß gemacht.«
    »Genau«, Lukas lächelte. Sie kamen an der evangelischen Kirche vorbei. Plötzlich blieb der Junge stehen.
    »Wenn ich nicht einundzwanzig wäre, sondern fünfunddreißig, dann würden Sie jetzt nicht weglaufen, stimmt's?«, sagte er leise.
    »Wie meinst du das?«, fragte Pia erstaunt. »Hast du den Eindruck, dass ich weglaufe?«
    »Ja«, er nickte, »vor mir. Warum?«
    Pia fragte sich, was sie gesagt oder getan hatte, um irgendwelche irrigen Hoffnungen in Lukas zu wecken und in eine solche Situation zu geraten.
    »Lukas«, sagte sie freundlich, »bitte geh zurück zur Burg, zu deinen Freunden. Ich könnte deine Mutter sein.«
    »Sind Sie aber nicht.«
    Im Schein der nahen Straßenlaterne erkannte sie zu ihrer eigenen Überraschung einen Ausdruck des Verlangens in seinen Augen.
    »Ich mag Sie«, Lukas' Stimme klang rau, »sehr sogar. Ich mag Ihre Augen und Ihren Mund und die Art, wie Sie lächeln ...«
    Pia traute ihren Ohren kaum. Was sollte das? Versuchte er etwa, sie zu verführen? Lukas legte seine Hände auf ihre Schultern, er zog sie an sich, sein Gesicht war nur ein paar Zentimeter von ihrem entfernt. Mit einem Mal empfand sie seine Nähe und körperliche Überlegenheit als Bedrohung. Schon einmal hatte ihr jemand solche Komplimente gemacht. Damals war es ihr nicht gelungen, den Mann vorzeitig in die Schranken zu weisen, und sie hatte deshalb die schrecklichsten Erfahrungen ihres Lebens machen müssen.
    »Ich mag dich auch, Lukas«, sie befreite sich mit sanftem Nachdruck aus seinen Armen. »Aber nicht so.«
    »Warum nicht?« Er steckte die Hände in die Taschen seiner Jeans und wippte auf den Fußzehen. »Bin ich zu jung?«
    »Ja«, erwiderte sie schließlich, »außerdem bin ich verheiratet. Was kriegst du von mir für die Eintrittskarte? Ich kann die Kosten absetzen.«
    »Nein, schon gut. Ich hab Sie eingeladen«, er strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Ich hoffe, es hat Ihnen ein bisschen gefallen.«
    Er wirkte enttäuscht, trug die Zurückweisung aber mit Fassung.
    »Das hat es«, erwiderte Pia.
    Einen langen Moment sah er sie eindringlich an, dann lächelte er.
    »Na dann. Gute Nacht«, er hob grüßend die Hand und wandte sich zum Gehen.

Sonntag, 18. Juni 2006
    »Wie war's auf der Burg?«
    Pia fuhr herum und sah ihren Chef an der Kaffeemaschine stehen.
    »Was machen Sie denn schon so früh hier?«, fragte sie. Es war erst kurz vor acht.
    »Ich wollte mal vor Ihnen da sein«, Bodenstein grinste. »Auch einen Kaffee? Sie sehen so aus, als ob es gestern spät geworden ist.«
    »Eigentlich nicht«, Pia ergriff dankbar die Tasse, die er ihr hinhielt. »Um zwölf war ich zu Hause.«
    »Konnte Lukas Ihnen etwas über das Mädchen sagen?«
    »Er hat versprochen, sich umzuhören.«
    »Mehr nicht?«
    »Nichts Konkretes. Er hat mir von Pauly vorgeschwärmt«, sagte Pia. »Man liebte oder man hasste ihn, wie es

Weitere Kostenlose Bücher