Mordsfreunde
gebunden. Als ich wegfahren wollte, hab ich gemerkt, dass ich meinen Schlüssel verloren hatte.«
»Und? Was war dann?« Pia musste sich zur Geduld mahnen.
»Ich war grad wieder vorne am Hoftor, da kam dieser Opa angefahren«, erinnerte Patrick sich. »Die Hunde kamen angeschossen. Ich hab mich hinter dem Tor versteckt und mir fast in die Hose gemacht. Aber der Opa hat einem von den Kötern in den Hintern getreten, da sind sie alle abgezischt. Der hatte wohl auch tierisch Zorn auf den Pauly.«
»Hat er nach ihm gerufen?«, fragte Pia.
»Ja, ein paar Mal«, Patrick Weishaupt nickte. »Dann ist er ins Haus rein. Aber gerade als ich abhauen wollte, kam er wieder rausmarschiert.«
»Und was hast du gemacht?«
»Ich hab gewartet, bis er weg war. Ins Haus hab ich mich nicht mehr getraut. Dann ist mir eingefallen, dass ich den Schlüssel gehabt haben muss, weil ich ja mein Auto aufgeschlossen hab. Und so war's auch. Der Schlüssel steckte draußen im Schloss.«
Pia gab dem Beamten hinter der Glasscheibe, die als Spiegel getarnt war, ein Handzeichen, damit er die Aufnahme stoppte, und ging hinaus auf den Flur. Dort erwarteten sie Bodenstein, Ostermann und Behnke.
»Er hat mit dem Mord nichts zu tun«, sagte Pia. »Er war zwar im Haus, hat da auch vor Zorn alles verwüstet, aber Pauly war nicht mehr da.«
»Ich habe einen von seinen Kumpels erreicht«, sagte Ostermann. »Der sagte, Patrick wäre um zehn nach elf losgefahren, nachdem er gesagt hat, er würde jetzt den Pauly klatschen gehen.«
»Das hört sich nach einem echten Vorsatz an«, bemerkte Behnke.
»Den hatte er auch zweifellos«, stimmte Pia zu. »Aber ihm ist jemand zuvorgekommen. Und nach ihm war auch noch jemand im Haus, ich tippe auf Schwarz.«
»Wir lassen ihn gehen«, entschied Bodenstein. Pia nickte und blickte auf ihr Handy, das sie während des Verhörs von Patrick stumm geschaltet hatte. Sander hatte ihr die Handynummer von Lukas wie versprochen per SMS geschickt. Sie lächelte, als sie las, was er noch geschrieben hatte. Ich hoffe, Sie halten mich nicht wirklich für den Mörder. Mit einem Tatverdächtigen würden Sie sicher nicht mal essen gehen, oder?
»Liebesgrüße aus Moskau?« Behnke zog die Augenbrauen hoch.
»Nein«, erwiderte Pia kühl, »das ist die Nummer von Lukas. Er war nicht im Opel-Zoo, aber ich will heute noch mit ihm reden. Wir müssen das Mädchen mit dem Roller finden.«
»Ja«, Bodenstein nickte, »sie könnte wirklich etwas gesehen oder beobachtet haben. Soll ich mitkommen?«
»Vielleicht sollte ich zuerst alleine mit ihm reden«, sagte Pia. »Ich habe das Gefühl, dass er offener ist, wenn das Gespräch nicht ganz so förmlich abläuft.«
»Genau«, Behnke grinste anzüglich, »vielleicht treffen Sie sich mit ihm zu einem lauschigen Spaziergang in der Abenddämmerung.«
Pia zählte innerlich bis zehn und verkniff sich eine scharfe Antwort.
»Rufen Sie ihn an«, auch Bodenstein überhörte Behnkes Bemerkung. »Wir warten ab, was Ihnen der Junge erzählt. Ich bin auf jeden Fall heute Abend zu Hause erreichbar.«
Pia ging in ihr Büro und wählte Lukas' Nummer. Er meldete sich schon nach dem dritten Klingeln. Sie sagte ihm, dass sie gerne mit ihm sprechen würde, und schlug das Grünzeug als Treffpunkt vor.
»Heute Abend gehe ich in Königstein auf die Burg, auf ein Rockkonzert«, erwiderte Lukas.
»Dann viel Spaß«, sagte sie, »vielleicht können wir uns morgen sehen.«
»Was haben Sie heute Abend vor?«, fragte Lukas zu Pias Erstaunen.
»Nichts weiter. Warum?«
»Kommen Sie doch hin«, schlug Lukas vor. »Mittelalter rockt die Burg. Das ist echt cool.«
Pia fand die Vorstellung, auf ein Rockkonzert in der Königsteiner Burgruine zu gehen, gar nicht schlecht. Es war Jahreher, dass sie auf einem Konzert gewesen war. Tina Turner im alten Frankfurter Waldstadion, vor sieben oder acht Jahren.
»Sie können es sich ja überlegen«, sagte Lukas. »Ich warte an der Kasse auf Sie, so um acht. Okay?«
Warum eigentlich nicht?
»Okay«, erwiderte Pia, »dann bis um acht an der Burg.«
Es war ein warmer Sommerabend, die Luft samtweich und voller Düfte. Pia hatte einen Parkplatz am Ölmühlweg gefunden und schloss sich den Massen junger Leute an, die durch die Gassen der Königsteiner Altstadt hinauf zur Burg strömten. Es war ein seltsames Gefühl, alles so unverändert vorzufinden, die verwinkelten, kopfsteingepflasterten Sträßchen und Gassen, die kleinen Geschäfte, die versteckten Höfe und Hauseingänge,
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