Mordsfreunde
Jubel, der durch die dicken Mauern nur gedämpft zu hören war.
»Ich glaube, der größte Fehler, den man machen kann, ist der, dass man zu viel erwartet«, sagte sie. »Zu große Erwartungen führen häufig zu sehr großen Enttäuschungen.«
»Das ist doch spießig«, widersprach Lukas. »Ich erwarte viel, ich will alles erleben, nicht nur ein bisschen! Und ich will ... das Spiel selbst bestimmen.«
Ein paar junge Leute, die vorbeigingen, feixten und riefen ihm einen Gruß zu.
»Ich halte dich auf.« Pia merkte, dass sie sich ziemlich weit vom eigentlichen Grund ihres Treffens entfernt hatte.
»Nein, nein, schon gut«, sagte Lukas schnell. »Sie halten mich nicht auf, im Gegenteil. Ich find's cool, dass ich mich so mit Ihnen unterhalten kann. Der Letzte, mit dem ich das konnte, war Ulli.«
Ein Schatten flog über sein Gesicht, er seufzte niedergeschlagen.
»Alles ist anders, seitdem er nicht mehr da ist. Ohne ihn wird das Grünzeug nur noch ein Bistro wie tausend andere sein.«
Er blickte auf und straffte die Schultern.
»Aber Sie wollten mich was fragen«, sagte er.
»Wir suchen ein Mädchen, das einen gelben Roller fährt«, kam Pia zur Sache.
»Ein Mädchen mit einem gelben Roller?« Lukas sah sie aufmerksam an. »Ich kenn ziemlich viele Mädchen.«
Er sagte das nicht, um Pia zu beeindrucken, es war einfach die Feststellung einer Tatsache.
»Du kannst ja mal drüber nachdenken«, sagte Pia. »Der Roller muss beschädigt sein.«
»Okay«, Lukas nickte.
»Kennst du Patrick Weishaupt?«, fragte Pia. »Er gibt Pauly die Schuld daran, dass er durchs Abi gefallen ist. Angeblich konnte Pauly ihn nicht leiden.«
»Quatsch! Patrick ist ein fauler Sack, er ist selbst schuld«, Lukas' Gesicht verdunkelte sich. »Ulli war immer gerecht. Er hat sich nicht einschüchtern lassen, weder von Patricks Vater noch von dem von Franjo oder Jo.«
»Was meinst du damit?«
»Ulli lag unsere Zukunft am Herzen«, Lukas zuckte die Schultern. »Er wollte für jeden von uns das Beste. Nee, wirklich, Ulli hätte noch nicht mal Patrick durchs Abi fallen lassen.«
Im großen Innenhof der Burg war eine Bühne aufgebaut, vor der sich eine Menschenmenge drängte. Gewaltige Boxen sorgten für den richtigen Sound, und eine Phalanx von Scheinwerfern tauchte mit zuckenden Blitzen und bunten Farbspielen die verfallenen Gemäuer der Burg in geheimnisvolle Lichter. Der Besucherstrom wurde dünner. Vereinzelt kamen noch Gruppen von Nachzüglern, die sich beeilten, in den Burghof und zur Bühne zu kommen.
»Gehen wir nach vorne«, schlug Lukas vor. Er ergriff Pias Hand und bahnte ihnen einen Weg bis beinahe ganz vorne vor die Bühne. Unvermittelt fand sie sich umgeben von der wogenden Menge, schwitzenden jungen Leuten mit ekstatisch verzerrten Gesichtern und glänzenden Augen, die mit den Armen in der Luft herumfuchtelten und sich im Takt der Musik bewegten. Die Musik war rhythmisch und rockig, mit teilweise melancholischen und fast philosophischen Texten. Lukas kannte alle Texte auswendig, er sang, tanzte und klatschte mit. Die Menge wogte nach vorne, Pia wurde gegen andere Menschen gedrängt, was aber niemand störte, auch sie nicht. So war das bei Rockkonzerten, wenn man sich direkt vor die Bühne wagte.
In der Umbaupause nach dem Auftritt der zweiten Gruppe ergriff Lukas wieder wie selbstverständlich Pias Hand. Er zogsie einfach mit sich, und sie ließ es sich gefallen. Ein paar junge Leute folgten ihnen. Sie waren ausgelassen, lachten und diskutierten über die Musik. Pia erkannte den jungen Mann, der Esther an der Ruine des Hauses abgeholt hatte, und den pickligen Blonden aus dem Flur vom Grünzeug.
»Oh, da ist ja Mr Dean Corso persönlich«, sagte sie. »Wo ist denn heute dein Freund Boris Balkan?«
Schlagartig verstummte das Gelächter. Pia bemerkte eine betretene Anspannung und verstohlene Blicke. »Deinen richtigen Namen kenne ich ja nicht«, setzte sie nach.
»Lars«, erwiderte der Picklige verlegen. Pia schaute sich um, aber die jungen Leute wichen ihrem Blick aus. Zwei andere junge Männer stießen mit einem Tablett voller Biergläser zu ihnen. Erleichtert griffen alle zu und ließen sich das Bier schmecken, Pia lehnte dankend ab.
»Stellst du mir deine Freunde vor?«, bat sie Lukas.
»Klar«, er wischte sich mit dem Handrücken den Schaum von der Oberlippe und deutete auf einen nach dem anderen. Lars, Kathi, Tarek, Jens-Uwe, Andi, Sören, Franjo, Toni, Markus.
»Da drüben, das sind Jo und Svenja«, er wies
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