Mordsfreunde
dachte nach.
»Der Mann, der das Mädchen gesehen hat, sagte, es könnesich um die Freundin von Dr. Bocks Sohn Jonas handeln. Das kann dann ja nicht die Freundin Ihrer Tochter sein.«
Einen Moment war es still in der Leitung.
»Doch, natürlich«, sagte Sander, »Svenja ist die Freundin von Jo.«
Svenja. Jo. Plötzlich kehrte die Erinnerung zurück. Da drüben, das sind Jo und Svenja. Das hatte Lukas vorgestern Abend auf der Burg zu ihr gesagt, und Pia erinnerte sich, dass sie diesen Jo am Tag zuvor im Grünzeug gesehen hatte. Allmählich begriff sie die Zusammenhänge. Boris Balkan hieß in Wirklichkeit Jonas und war der Sohn von Dr. Carsten Bock, der auf dem Anrufbeantworter von Pauly die Ankündigung hinterlassen hatte, er werde ihm seine Anwälte auf den Hals hetzen. Jonas' Großvater war also Norbert Zacharias, der bis an den Hals im Schlamassel und unter Mordverdacht in U-Haft saß. Aber Jonas war ein Freund von Pauly und Stammgast im Bistro Grünzeug. Auf wessen Seite stand der Junge?
Cosima hatte für den Abend ihre Mitarbeiter eingeladen, die mit ihr in den vergangenen Monaten an dem Filmprojekt gearbeitet hatten. Sie wollten noch einige Details besprechen, aber in erster Linie die Fertigstellung des Films feiern. Bodenstein half ihr, den Tisch auf der Terrasse zu decken, stellte Sekt kalt und holte einen guten Rotwein aus dem Keller. Er war gerade dabei, die Flaschen zu entkorken, als Rosalie mit ihrem Mopedhelm über dem Arm aus der Garage in die Küche kam. Sie sah Cosima wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich, hatte zu ihrem Ärger auch ihr tizianrotes Haar geerbt, das sie im Moment allerdings platinblond gefärbt hatte.
»Du bist ja schon da«, sagte sie ohne große Begeisterung zu ihrem Vater, öffnete die Kühlschranktür und blickte hinein.
»Nette Begrüßung«, Bodenstein dachte an die Zeiten zurück, als ihm seine Tochter abends noch vor Freude um denHals gefallen war, und musterte sie missbilligend. »Fährst du in dem Aufzug mit dem Moped durch die Gegend?«
Rosalie trug eine Jeans, die so tief auf den Hüften saß, dass man die Bändchen ihres Strings sehen konnte, ihr Hemdchen ließ den ganzen Bauch frei. So liefen die Nutten im Bahnhofs-Viertel herum.
»Was bleibt mir anderes übrig?«, erwiderte sie spitz. »Ich hab ja kein eigenes Auto, und Mama hat ihr's zu Schrott gefahren.«
Bodenstein schüttelte den Kopf. Lorenz wurde allmählich wieder vernünftig, aber Rosalie durchlebte noch die letzten Trotzphasen einer ziemlich heftigen Pubertät mit allen Begleiterscheinungen. »Übrigens«, verkündete sie nun, »ich hab für die Sommerferien einen megacoolen Job.«
»Sag bloß, du hast die Praktikantenstelle bei Lovells bekommen?«
»Nö«, sagte Rosalie und tauchte die Spitze ihres Zeigefingers in eine der Grillsoßen. »Ich hab einen Job im Cas Viajes in Soller auf Malle.«
»Wie bitte?« Bodenstein warf seiner Tochter einen irritierten Blick zu. »Als was denn?«
»Du findest es wahrscheinlich nicht so doll«, Rosalie platzierte ihren kleinen Popo auf der Arbeitsplatte geschickt zwischen einer Platte mit eingelegten Auberginen und Zucchini und einer Schale mit Salat, »als Küchenhilfe und Kellnerin. Aber es gibt immerhin achthundert Euro, Kost und Logis sind frei. Und mein Chef ist Claudio Belcredi!«
Bodenstein stellte die Weinflasche ab.
»Du willst als Küchenhilfe auf Mallorca arbeiten?«, vergewisserte er sich. »Hast du einen Sonnenstich abbekommen? Ich denke, du wolltest Jura studieren und im Sommer ein Praktikum bei dieser Kanzlei in Frankfurt machen!«
»Jura ist doch öde«, Rosalie schüttelte den Kopf. »Ich willKöchin werden. Weißt du, wer mir diesen geilen Job auf Malle vermittelt hat?«
»Ich ahne es schon«, Bodenstein stieß einen Seufzer aus. »Den Floh hat dir Maitre St. Clair ins Ohr gesetzt.«
Jean-Yves St. Clair war der französische Starkoch, den seine Schwägerin vor einer Weile für ihr Schlosshotel engagiert hatte. Cosima hatte Bodenstein erzählt, dass Rosalie heimlich für den temperamentvollen Südfranzosen schwärmte.
»Er hat mir gar nichts ins Ohr gesetzt«, bestritt Rosalie und schlenkerte lässig mit den Beinen, aber Bodenstein sah, dass sie rot geworden war. »Er hat mir nur geraten, dass ich Erfahrungen in einer Küche sammeln soll, bevor ich mich ernsthaft entscheide, Köchin werden zu wollen.«
Cosima betrat die Küche.
»Geh da runter, Rosalie«, sagte sie. Das Mädchen gehorchte, schlängelte sich an der Mutter vorbei und
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