Mordsfreunde
öffnete wieder den Kühlschrank.
»Lass das«, Cosima zog sie vom Kühlschrank weg und schloss wieder die Tür.
»Ich will doch bloß was trinken«, beschwerte Rosalie sich.
»Hol dir was aus der Garage.«
»Das ist pisswarm ... ich ...«
»Raus jetzt hier!«, schrie Cosima ihre Tochter an. »Wer schreit hat unrecht«, erwiderte Rosalie beleidigt und verschwand.
»Sie geht mir auf die Nerven«, Cosima lehnte sich gegen die Spüle und stieß einen Seufzer aus. »Alles geht mir auf die Nerven.«
Bodenstein betrachtete seine Frau. Cosima war immer schlank gewesen, aber mittlerweile wirkte sie ungesund dünn. Sie war blass, unter den Augen lagen bläuliche Schatten, die er nie zuvor an ihr bemerkt hatte.
»Du brauchst dringend ein bisschen Ruhe«, sagte er. »Ich bin froh, dass du den Film endlich fertig hast.«
»Das glaube ich, dass du froh bist«, erwiderte Cosima sarkastisch. »Ich weiß, dass es dir nicht passt, dich den ganzen Abend über den Film unterhalten zu müssen, weil du in Gedanken nur bei deinem Fall bist.«
Dieser Vorwurf war ungerecht und entsprach in keiner Weise der Wahrheit.
»Ich habe hier alles am Hals«, Cosimas Stimme wurde schrill. »Ich bin hier nur noch die Köchin und Putzfrau und muss zusehen, wie ich das alles unter einen Hut kriege!«
Bodenstein konnte sich die Heftigkeit von Cosimas Ausbruch nicht erklären und war sich keiner Schuld bewusst. Eine Weile hörte er ihren Tiraden schweigend zu.
»Du verschwindest jeden Morgen und überlässt mir alles«, warf Cosima ihm schließlich vor. »Und was deine Kinder tun, interessiert dich überhaupt nicht.«
»Moment mal«, unterbrach Bodenstein sie konsterniert, »ich interessiere mich sehr wohl für alles, was du und die Kinder tun. Ich habe ...«
»Lüg doch nicht!« Cosima wurde laut. »Aber weißt du was? Setz dich doch einfach in dein Auto und kümmere dich um deinen Fall! Ich komme hier auch gut ohne dich klar, wenn du keine Lust hast, mit meinen Freunden zu reden.«
»Was ist denn in dich gefahren?«, erwiderte Bodenstein nun auch mit erhobener Stimme. Rosalie tauchte in der Küche auf.
»Oh, ein Ehekrach«, sagte sie, und im nächsten Moment brach Cosima, die Unerschütterliche, in Tränen aus, drängte sich an Rosalie vorbei und rannte aus der Küche. Vater und Tochter blickten sich hilflos und verwirrt an.
»Was ist denn in die gefahren?«, fragte Rosalie. »Wechseljahre oder was?«
»Sprich nicht so respektlos von deiner Mutter«, Bodenstein hatte seinen Ärger sofort vergessen und folgte Cosima besorgt die Treppe hinauf ins Schlafzimmer. Aus dem Badezimmer hörte er lautes Schluchzen. Cosima saß auf dem Rand der Badewanne, die Wimperntusche lief in schwarzen Streifen über ihre Wangen. Bodenstein ging neben ihr in die Hocke und berührte vorsichtig ihr Knie. Sie schluchzte hysterisch, dann lachte sie genauso hysterisch, und plötzlich sackte sie ohnmächtig in sich zusammen. Bodenstein konnte nur knapp verhindern, dass sie mit dem Kopf auf die Fliesen schlug. Er nahm Cosima in die Arme, trug sie ins Schlafzimmer und legte sie aufs Bett. Rosalie stand mit betroffenem Gesicht in der Tür.
»Ich glaube, die Party können wir absagen«, sagte Bodenstein.
Vor dem Grünzeug standen einige Fahrräder, Mopeds und Motorroller. Ein gelber Roller war nicht dabei. Pia betrat das Bistro. Der Anblick von Lukas hinter dem Tresen verursachte ein hohles Gefühl in ihrem Magen. Es war nicht viel los an diesem Abend, das übliche jugendliche Stammpublikum schien sich woanders zu amüsieren. Lukas begrüßte sie erfreut und schien ihr die Zurückweisung vom Samstagabend nicht nachzutragen.
»Hallo«, Pia setzte sich auf einen der Barhocker, die alle unbesetzt waren, »hier ist ja nicht sehr viel los.«
»Fußball«, er deutete mit dem Daumen hinter sich Richtung Hof. »Möchten Sie etwas trinken?«
»Gerne. Was kannst du mir empfehlen?«
»Meine Spezialität ist Sex on the beach«, er zwinkerte ihr zu und sah dabei einfach umwerfend aus. Pia vermutete, dass mindestens fünfzig Prozent aller Mädchen nur seinetwegen Stammgast im Grünzeug waren.
»Das Thema haben wir doch geklärt« entgegnete sie trocken. »Ich habe Lust auf eine Pina Colada. Aber sei sparsam mit dem Rum.«
»Alles klar.«
Pia beobachtete, wie Lukas gekonnt den Drink für sie mixte.
»Sag mal«, sie stützte ihr Kinn in die Hand, »was weißt du über dieses mysteriöse Internetcafe im Hinterzimmer, das seit heute plötzlich nicht mehr
Weitere Kostenlose Bücher