Mordsfreunde
stundenlang an Info-Ständen herumgestanden und war sogar einmal mit bei meinem Vater im Zoo. Er ist ... Sie wissen, wer mein Vater ist, oder?«
»Ja.«
Antonia knabberte nachdenklich an ihrer Unterlippe.
»Ich konnte Pauly nicht besonders leiden. Er war ein Besserwisser und irgendwie schleimig. Und die Esther, die ist total ätzend. Ich habe nie kapiert, was die alle an den beiden finden.«
»Hat Svenja dir erzählt, dass sie an dem Abend, als Pauly ermordet wurde, bei ihm war?«
»Was?« Antonia sah ehrlich erstaunt aus. »Nein, das hab ich nicht gewusst. Sie war nachmittags kurz bei mir. Später hat sie noch mal angerufen und voll geheult. Ich konnte nicht weg, weil ich ...«
Im Türrahmen des Zimmers, zu dem Antonia immer wieder hinübergeschaut hatte, erschien ein Mädchen. Antonias Erklärung, sie sei hier, weil es ihrer Freundin schlecht gehe, war nicht gelogen. Svenja sah schrecklich aus, das hübsche Gesicht verwüstet und verquollen vom Weinen, die dunkelblonden Haare strähnig.
»Hallo«, flüsterte sie. Antonia eilte zu ihrer Freundin und legte den Arm um sie.
»Bleib doch im Bett«, sagte sie energisch, »komm.«
Sie führte sie zurück ins Zimmer und drängte sie sanft auf das zerwühlte Bett. Pia blickte sich in dem kleinen Raum um. Stereoanlage, Fernseher, Computer – das schien heutzutage beinahe zur Standardausstattung eines Jugendzimmers zu gehören. Poster an den Wänden, Robbie Williams, Justin Timberlake, Herbert Grönemeyer. Dazu jede Menge Klamotten, die auf dem Boden und in einem Sessel lagen. Die Rollläden waren heruntergelassen, nur durch eine Ritze fiel Sonnenlicht. Es roch muffig.
»Soll ich Sie und Svenja alleine lassen?«, fragte Antonia höflich.
»Nein, nein, bleib nur da«, erwiderte Pia. Svenja hüllte sich in ihre Bettdecke ein, Antonia setzte sich auf den Bettrand.
»Svenja«, begann Pia mit ihrer sanftesten Stimme, »ich muss dringend mit dir über Dienstagabend sprechen. Es kann sein, dass du in großer Gefahr bist.«
Svenja schwieg, wandte nur den Kopf zur Seite. Ihr langes Haar fiel wie ein Vorhang über ihr Gesicht.
»Warum bist du bei Pauly gewesen?«, fragte Pia. Sie wartete geduldig, aber vergeblich auf eine Antwort.
»Wir haben einen Mann festgenommen, der gesehen hat, wie du in den Hof gefahren bist«, fuhr sie fort, »und später hat eine Nachbarin beobachtet, wie du mit dem Roller gestürzt bist. Was ist passiert? Hast du den Mörder von Pauly gesehen?«
Das Mädchen hob den Kopf. Pia schauderte, als sie die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung hinter dem Schutzschild der Ausdruckslosigkeit in Svenjas Augen erkannte. Sie hatte große Probleme, aber wenn sie nicht darüber sprechen wollte, konnte sie sie nicht zwingen.
»Hast du Pauly am Dienstag noch gesehen?«, fragte Pia weiter. »Hast du mit ihm gesprochen? Bitte, Svenja, antworte mir. Es ist wirklich sehr wichtig.«
Keine Antwort, keine Reaktion.
»Was war gestern Abend auf Jo's Geburtstagsfeier? Warum hattest du Streit mit ihm?«
Eine Träne rann über die Wange des Mädchens. Dann noch eine. »Wie kann er nur so gemein sein«, flüsterte sie plötzlich. »Ich schäme mich so! Ich kann mich nie mehr irgendwo sehen lassen!«
Svenja schluchzte auf. Mit dem Handrücken wischte sie die Tränen ab, die aber immer weiter flossen. Antonia stand auf und holte ein Kleenex. Svenja putzte sich die Nase.
»Ich versteh das nicht«, murmelte sie undeutlich, »wir hatten uns doch wieder vertragen. Und dann lügt er noch und behauptet, er hätte das nicht gemacht. Ich bin total ausgerastet, hab ihn angeschrien, er soll wenigstens ehrlich sein. Und dann bin ich einfach weggerannt ...«
Pia blickte zu Antonia, die bestätigend nickte.
»Wo seid ihr hingegangen?«, fragte Pia. »Seid ihr noch im Grünzeug gewesen?«
Svenja schüttelte heftig den Kopf.
»Da geh ich nie wieder hin«, stieß sie hervor. »Ich geh überhaupt nie wieder irgendwohin!«
»Wo könnte Jonas jetzt sein?«, erkundigte Pia sich. »Er ist heute nicht zum mündlichen Abi erschienen.«
Svenja senkte den Blick und ergriff ihr Handy, das neben dem Kopfkissen lag.
»Er hat mir gestern Nacht noch eine SMS geschickt, aber ich hab ihm nicht drauf geantwortet. Ich kann ihm niemals verzeihen, dass er das gemacht hat und dass er mich auch noch angelogen hat! Ich will ihn nie, nie mehr sehen!«
Sie verbarg ihr Gesicht in beiden Händen, begann hemmungslos zu weinen. Pia vermutete, dass eher das Gegenteil der Fall war.
»Zeigst du mir die
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