Mordsfreunde
SMS?«, bat sie freundlich. Das Mädchen hielt ihr das Handy hin, ohne aufzusehen.
»Es tut mir solied was ibh getan habe«, las Pia, »ich war nur sp wutend auf dibh. Ich wünschue, ibh hätte es nichu getbn und ich wunschte, du wüqdest mir verzdihen. Ich weip, das ibh das nie mer gutmachen knn, aber ogne dich kann ibh nicht lebn. Verzeih mir, mein Sbhatz. Vfrzeih mir ales. Deim JB.«
Die vielen Fehler im Text bewiesen, dass der Junge die SMS entweder in Eile oder im betrunkenen Zustand geschrieben hatte. Pia schaute auf das Display des Handys. Jonas hatte Svenja die Nachricht um kurz vor elf geschickt, etwa anderthalb Stunden nachdem Svenja mit ihm Schluss gemacht hatte. Plötzlich beschlich Pia eine düstere Vorahnung. Der Inhalt der SMS klang verzweifelt, fast wie ein Abschiedsbrief. Pia machte Antonia ein Zeichen. Sie ging hinaus, das Mädchen folgte ihr.
»Wo hat die Party stattgefunden?«
»Auf dem Gartengrundstück von Jo's Opa«, sagte Antonia, »warum?«
»Wo ist das genau?« Pia überhörte ihre Frage. Antonia erklärte es, so gut sie konnte.
»Hör zu, Antonia«, sagte Pia eindringlich, »bitte tu mir einen Gefallen. Bleib bei Svenja und ruf deinen Vater an. Sag ihm, wo du bist, er macht sich große Sorgen um dich und Svenja.«
»Der reißt mir den Kopf ab, wenn er hört, dass ich schwänze«, erwiderte Antonia und verdrehte die Augen. »Dann ruf deine Mutter an.«
»Geht schlecht«, das Mädchen verzog das sommersprossige Gesicht. »Sie ist tot.«
»Wie bitte?« Pia, die gerade die Nummer von Ostermann eintippen wollte, hielt inne und starrte Antonia verblüfft an.
»Hirnschlag. Ich war erst zwei, als sie gestorben ist.«
»Das tut mir leid«, sagte Pia, aufrichtig betroffen.
»Sie können ja nichts dafür«, antwortete Antonia. »Ich rufe meinen Vater an. Und ich bleibe hier bei Svenja. Versprochen.«
Pia fuhr die Alleestraße hoch Richtung Sinai, bog in Höhe des Wasserturmes ins Feld ab und raste die betonierten Feldwege entlang. Hinter Eberhards Scheune, einem beliebten Ausflugslokal, lenkte sie ihren Nissan durch die Unterführung der B8 und erreichte das Schmiehbachtal, das sich mit malerischen Streuobstwiesen, Wald und Äckern zwischen Kelkheim-Hornau, Bad Soden und Liederbach erstreckte.
Ein eingezäuntes Grundstück am Wald mit einem Tor, hatte Antonia gesagt. An einer mächtigen Eiche bog Pia rechts in einen geschotterten Weg ein, holperte am Waldrand entlang, bis sie an eine Abzweigung kam. Weiter geradeaus. Nach ungefähr fünfhundert Metern erblickte sie auf der linken Seite das hölzerne Tor, das Antonia beschrieben hatte. Sie bremste so heftig, dass die Schottersteinchen spritzten, und sprangaus dem Auto. Das Tor stand offen. Pia betrat das ordentlich gemähte Grundstück, das etwas abschüssig am Hang lag. Unter ein paar mächtigen Fichten stand ein Gartenhaus, umgeben von einem Jägerzaun und sorgfältig beschnittenen Büschen. Vor der Hütte erwarteten sie die Reste einer Party. Pia ließ ihren Blick über leere Red-Bull-Dosen, zerbrochene und halbleere Bier- und Wodkaflaschen, benutzte Pappteller und Becher, Essensreste und anderen Müll schweifen, dann blickte sie auf. Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Die düstere Vorahnung hatte sie nicht getrogen.
»Verdammt, Jonas«, sagte sie beim Anblick der Leiche, die am Giebel der Hütte hing, »warum hast du das getan?«
Nur zwanzig Minuten später wimmelte das Grundstück von Menschen. Zuerst war der Notarzt eingetroffen, Minuten später der erste Streifenwagen, dann erschien auch Frank Behnke, zeitgleich mit den Kollegen von der Spurensicherung. Pia hatte kurz überlegt, ihn aber dann angerufen, auch wenn sie ganz gut alleine klargekommen wäre. Sie wollte sich nicht nachsagen lassen, alle Arbeit und Verantwortung in Bodensteins Abwesenheit an sich zu reißen.
»Wie kommen Sie darauf, dass es sich um Jonas Bock handelt?«, fragte Behnke von oben herab, kaum dass er aus seinem Auto ausgestiegen war. Er blickte sich um, ohne seine Sonnenbrille abzusetzen.
»Weil ich ihn kenne«, Pia ging über den Rasen hinunter zur Hütte. »Außerdem gibt es Fotos von ihm auf der Webseite seiner Freundin.«
»Scheint 'ne wilde Party gewesen zu sein«, Behnke blickte zu der Leiche des Jungen hinüber, die gerade vom Polizeifotografen aus allen Winkeln fotografiert wurde. »Er hatte wohl keine Lust, das alles alleine aufzuräumen, da hat er sich lieber aufgehängt.«
Spätestens jetzt bereute Pia ihren Anruf. Behnkes blöde
Weitere Kostenlose Bücher