Mordsfreunde
würde auch interessieren, wem diese E-Mail geschickt worden ist.«
»Ich sage dir Bescheid, wenn ich etwas herausfinde.«
»Okay«, Pia ergriff ihre Tasche und stand auf, »und Kai?«
»Ja?« Ihr Kollege blickte fragend auf. »Danke für deine Vermittlungsversuche. Das ist echt nett von dir.«
Eine halbe Stunde später hatte Pia von Dr. Kohlmeyer, dem Chef von Svenja Sievers, erfahren, dass das Mädchen seit über einer Woche nicht mehr zur Arbeit erschienen war. Der Arzt war verständlicherweise verärgert, und die Tatsache, dass pornographische Fotos seiner Auszubildenden im Internet kursierten, machte es nicht eben besser. Auf dem Weg zum Ausgang des neuen Kelkheimer Gesundheitszentrums an der Frankenallee, in dem sich die Praxis von Dr. Kohlmeyer befand, rief Pia bei Zoodirektor Sander an.
»Svenjas Chef hat diese E-Mail auch bekommen«, erklärte sie ihm, »sie war seit Mittwoch nicht mehr arbeiten, und wegen dieser Fotos will er ihr jetzt den Ausbildungsvertrag kündigen. Was meinen Sie, wo ich Jonas finden kann?«
»So ein Drecksack«, sagte Sander, und Pia wusste nichtgenau, ob sich diese Aussage auf Jonas Bock oder Dr. Kohlmeyer bezog, »ich schätze, Jonas ist in der Schule. Wenn ich mich richtig erinnere, steckt er mitten im Abi.«
Aber Jonas Bock war nicht in der Schule. Er erschien nicht zur mündlichen Prüfung um Viertel vor zehn und auch später nicht. Die Schulsekretärin rief bei den Eltern zu Hause an, aber dort meldete sich am Telefon nur eine Haushälterin, die nicht wusste, wo Jonas war. Im Büro seines Vaters hieß es, Dr. Bock sei außer Haus. Die Großzügigkeit der Schulleitung und der Prüfer des Staatlichen Schulamtes kannte schließlich Grenzen. Um zwölf Uhr galt die mündliche Prüfung von Jonas Bock als nicht erbracht. Damit war er durchs Abitur gefallen. Die anderen Abiturienten tuschelten in den Gängen und vor der Schule miteinander und spekulierten, weshalb Jo Bock wohl nicht erschienen war. Pia verließ das Schulgebäude und ging zu einer Gruppe von jungen Leuten, die zu ihrem bestandenen Abitur die Sektkorken knallen ließen.
»Er hat gestern wohl zu wild gefeiert«, vermutete einer der Schüler, der einen Pappbecher mit Sekt in der Hand hielt. »Vielleicht hat er verpennt.«
»Gefeiert?«, fragte Pia überrascht nach. »Was denn?«
»Seinen Geburtstag«, erwiderte der Junge trocken. »Jo hatte gestern Geburtstag.«
Als Pia sich in ihr Auto setzte, rief Kathrin Fachinger an, die in den vergangenen zwei Stunden gemeinsam mit Behnke erst Mareike Graf und dann Franz-Josef Conradi verhört hatte. Beiden schien über Nacht der Ernst ihrer Lage klar geworden zu sein, denn sie hatten unabhängig voneinander zugegeben, was sie in der Zeit zwischen ihrer Abfahrt am Golfplatz und dem Eintreffen im Starkeradweg getan hatten.
»Sie sind vom Golfplatz aus in den Wald gefahren und haben sich im Wald auf einem Hochsitz vergnügt«, sagte Kathrin,»und später dann noch mal auf der Motorhaube von Conradis Lieferwagen.«
Pia spielte kurz mit dem Gedanken, Bodenstein zu fragen, was sie tun sollte. Aber wenn sie in seiner Abwesenheit die Leiterin des K11 sein wollte, musste sie solche Entscheidungen selber treffen können.
»Lasst die beiden gehen«, sagte sie zu ihrer Kollegin. Mareike Graf und Franz-Josef Conradi hatten feste Wohnsitze, es drohte keine Flucht- oder Verdunklungsgefahr. »Habt ihr auch schon mit Zacharias gesprochen?«
»Ja. Aber der sagt kein Wort ohne seinen Anwalt.«
»Auch gut«, Pia startete den Motor. »Wir sehen uns später.«
Familie Sievers wohnte in Bad Soden im vierten Stock eines hässlichen Mehrfamilienhauses aus den sechziger Jahren in der Königsteiner Straße gegenüber dem Bahnhof. Pia fand einen Parkplatz im Hof, der um diese Uhrzeit beinahe leer war. Ihre Gedanken kreisten um Lukas. Weshalb hatte er ihr gestern nichts von Jonas' Geburtstagsfeier gesagt? Ganz sicher waren Svenja und Sanders Tochter auf dieser Feier gewesen, aber warum Lukas nicht? Er war doch ein guter Freund von Jonas. Seltsam. Pia musste eine ganze Weile suchen, bis sie die richtige Klingel auf einem der vierzig Schildchen mit vorwiegend ausländischen Namen gefunden hatte. Gerade als sie klingeln wollte, rief Ostermann an. Die E-Mail mit dem Link zu Svenjas Homepage war von einem Hotmail-Konto, das auf den Namen Jonas Bock lautete, an 147 Adressen verschickt worden.
»Da wollte jemand das Mädchen richtig übel bloßstellen«, sagte Pia. »Kriegst du raus, wer
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