Mordsgefluester
Augen, um endlich etwas erkennen zu können. Außerdem nutzte ich die Zeit dazu, mir zu versichern, dass mein Kopf nicht explodieren oder vom Hals purzeln würde, obwohl er sich so anfühlte, als müsste ich mit beidem zugleich rechnen.
Nachdem sich mein Blick halbwegs geklärt hatte, entdeckte ich auch meine Handtasche. Sie baumelte an meinem rechten Ellbogen und hatte sich mit den Henkeln einiger Plastiktüten verheddert, die ich eisern festgehalten hatte. Die verhedderten Henkel hatten mich daran gehindert, den Arm zu bewegen, und die Tüten selbst lagen über und unter meinen Beinen. War das nicht super? Meine Einkäufe hatten meine Beine eventuell vor weiteren Schürfwunden geschützt. Ich nahm das als göttlichen Fingerzeig, dass ich öfter einkaufen gehen sollte.
Durch diese spirituelle Unterstützung beflügelt, fummelte ich ungeschickt in der Handtasche nach meinem Handy und klappte es auf. Das segensreiche LCD-Display leuchtete auf, und ich tippte die 9-1-1 ein. Ich kannte das Procedere, denn ich hatte schon einmal die Notrufzentrale angerufen, als Nicole Goodwin ermordet worden war und ich geglaubt hatte, die Schüsse seien auf mich gerichtet. Als die leidenschaftslose Stimme nach dem Grund meines Anrufs fragte, war ich vorbereitet.
»Ich wurde verletzt. Ich befinde mich auf dem Parkplatz –« Ich nannte das Einkaufszentrum, den Laden und den Eingang, vor dem ich lag, obwohl ich inzwischen technisch gesehen davor saß.
»Um welche Art von Verletzung handelt es sich?«, wollte die Stimme ohne Eile und ohne jedes Interesse wissen. Ich schätzte, die Frau in der Telefonzentrale war der Meinung, dass ich nicht schwer verletzt sein konnte, wenn ich noch telefonieren konnte, und vermutlich hatte sie damit recht.
»Eine Kopfverletzung; ich glaube, ich habe eine Gehirnerschütterung. Blaue Flecken, Abschürfungen, andere kleine Verletzungen. Jemand hat versucht, mich zu überfahren, aber inzwischen ist sie verschwunden.«
»Handelt es sich um häusliche Streitigkeiten?«
»Nein, ich bin heterosexuell.«
»Madam?« Erstmals hörte ich einen Anflug von Gefühl in der Stimme am Telefon. Bedauerlicherweise war dieses Gefühl Verwirrung.
»Ich sagte, ›sie ist verschwunden‹, und Sie haben daraufhin gefragt, ob es sich um häusliche Streitigkeiten handelt, und darauf habe ich geantwortet, nein, ich bin heterosexuell«, führte ich geduldig aus, was angesichts der Tatsache, dass ich blutend auf dem ekligen Asphalt saß, meine Selbstbeherrschung illustrieren sollte. Ich gebe mir wirklich redlich Mühe, nicht ausgerechnet die Menschen zu verärgern, die mir möglicherweise Rettung schicken. Ich sage »möglicherweise«, weil ich bislang noch nicht gerettet worden war.
»Ich verstehe. Wissen Sie, um wen es sich bei dieser Person handelt?«
»Nein.« Ich wusste nur, dass sie eine durchgeknallte Kuh war, der es nicht erlaubt sein sollte, eine Schubkarre zu lenken, von einem Buick ganz zu schweigen.
»Ich schicke einen Streifenwagen und einen Krankenwagen zu Ihnen«, sagte die Frau am Telefon, die inzwischen ihre professionelle Distanz wiedergefunden hatte. »Bitte bleiben Sie am Apparat, ich brauche weitere Informationen.«
Also blieb ich am Apparat. Auf ihre Nachfrage hin nannte ich meinen Namen und meine Adresse, meine Festnetznummer und meine Handynummer, die sie wahrscheinlich längst hatte, weil ich meine Nummer nicht unterdrückt habe und mein Handy zusätzlich einen GPS-Dienst integriert hat. Wahrscheinlich hatte sie mich längst angepeilt, lokalisiert und überprüft. Ich verzog insgeheim das Gesicht. Bestimmt wurde mein Name bereits im Polizeifunk durchgegeben, was bedeutete, dass ein gewisser Lieutenant J.W. Bloodsworth ihn hören würde und wahrscheinlich eben jetzt in seinen Einsatzwagen sprang und das Blaulicht einschaltete. Ich hoffte schwer, dass die Sanitäter vor ihm eintrafen und das Blut aus meinem Gesicht wuschen. Er hat mich schon einmal blutüberströmt gesehen, aber trotzdem … ich bin eben eitel.
Die automatischen Türen des Kaufhauses glitten auf, und zwei Frauen kamen heraus, die fröhlich plaudernd ihre Beute nach draußen schleppten und an den geparkten Autos entlanggingen. Sowie mich die erste gesehen hatte, kreischte sie auf und blieb stocksteif stehen.
»Kümmern Sie sich nicht um das Gekreische«, erklärte ich der Frau in der Notrufzentrale. »Da hat sich nur jemand erschreckt.«
»O mein Gott! O mein Gott!« Die zweite Frau kam auf mich zugelaufen. »Wurden Sie
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