Mordsgefluester
ich einen Blick in den Spiegel und hätte laut aufgestöhnt, wenn ich eine Stimme gehabt hätte. Meine Lider waren rot und geschwollen, ich war mit öligem Ruß überzogen, und meine Nasenlöcher sowie mein Mund waren komplett geschwärzt. Meine Haare waren steif vor Asche und Ruß. Auf gar keinen Fall konnte ein Waschgang mit Shampoo und Seife das beheben – jedenfalls nicht mit dieser Seife.
Ich ging wieder nach unten und blieb dort kurz stehen, um zu überlegen. Spülmittel oder Waschmittel? Nach kurzem Nachdenken kam ich zu dem Schluss, dass Spülmittel das Haar weniger angreifen würde, aber dennoch Öl und Fett beseitigte. Ich holte die Flasche unter der Spüle hervor und ging wieder nach oben.
Dreißig Minuten später war, obwohl ich nur lauwarm geduscht und das Wasser während des Einseifens abgedreht hatte, das warme Wasser ausgegangen, aber das überraschte mich wenig, nachdem wir beide gleichzeitig geduscht hatten. Das Spülmittel hatte den Ruß bewundernswert gut entfernt, nur stand mein Haar danach wie Stroh vom Kopf ab, weshalb ich es mit Shampoo und Spülung wieder weich waschen musste, womit ich noch mehr Wasser verbrauchte. Während des Abtrocknens betrachtete ich mein Gesicht im Spiegel. Meine Augen waren immer noch rot gerändert, aber Ruß war keiner mehr zu sehen. Meine Hände und Füße hatten immer noch ein paar dunkle Flecken, doch ich wollte mir nicht die Haut wund reiben, nur um sie loszuwerden. Sie konnten warten.
Natürlich hatte ich keine Unterwäsche dabei; während der Nächte, die ich bei Wyatt verbracht hatte, hatte ich nie meine Anziehsachen hiergelassen. Ich zog Wyatts Hemd über, dann seinen Bademantel, und fühlte mich trotzdem lächerlich nackt. Schließlich ging ich, das nasse Haar in ein Handtuch gewickelt, nach unten, um darauf zu warten, dass meine angeforderten Kleider gebracht wurden.
Wyatt war in der Küche; er war frisch rasiert und in Anzug und Krawatte wie immer, wenn er zur Arbeit geht. Er hatte Kaffee aufgesetzt – dafür war ich ihm zutiefst dankbar, auch wenn ich sauer auf ihn war –, stand mit meinem Stapel Notizzettel in der Hand da und sah sie der Reihe nach durch.
Als ich in der Tür erschien, sah er auf. Sein Blick wirkte leicht ungläubig. Dann sah er wieder auf den obersten Zettel. Da ich alle Zettel in großen Blockbuchstaben geschrieben hatte, konnte ich ihn von der Tür aus lesen. Auf diesem Zettel stand:
WYATT IST EIN VOLLIDIOT
21
Ich umging ihn in einem weiten Bogen, um nicht in seine Nähe zu kommen, und schenkte mir eine Tasse Kaffee ein, während er weiterhin meine Zettel studierte. Er zog einen anderen heraus, hielt ihn auf Armeslänge vor sich hin und legte den Kopf schief, als hätte er noch nie einen Zettel gesehen. »›Ich brauche eine Flinte.‹ Also, bei diesem Zettel schrillen bei meinen Männern wahrscheinlich sämtliche Alarmsirenen.«
Ich fand meine Idee trotzdem gut. Ich brauchte wirklich eine Schrotflinte, und zwar sofort. Die Vorstellung, seinen Hintern mit Schrot zu pfeffern, war ungeheuer erbaulich. Den Rücken ihm zugekehrt, schwelgte ich in meiner Phantasie und nahm dabei den ersten Mundvoll Kaffee, was wesentlich anstrengender war, als ich erwartet hatte. Meine Kehle wollte keinesfalls kooperieren und verweigerte anfangs das Schlucken. Dennoch fühlte sich der Kaffee in meinem Bauch gut an und badete meinen wunden Rachen in Wärme. Warme Getränke helfen fast immer gegen Halsschmerzen, außerdem wollte ich endlich meine Stimme zurückbekommen. Ich hatte eine Menge zu sagen.
Ich musste eine Liste der Dinge erstellen, die ich sagen wollte, damit ich nichts davon vergaß. Außerdem musste ich die Liste mit Wyatts Verfehlungen erstellen, denn diesmal würde sie mit Sicherheit lang genug werden.
Seine Arme schlangen sich von hinten um mich und drückten mich an seine Brust, sodass er sein Kinn oben auf mein handtuchumhülltes Haupt legen konnte. »Vorhin hast du noch mit mir telefoniert, und plötzlich bringst du keinen Laut mehr heraus. Hat es dir wirklich die Stimme verschlagen oder sprichst du nur nicht mehr mit mir?«
Ich nahm behutsam einen weiteren Schluck Kaffee. Was sollte ich auch tun, ihm antworten?
Ich spielte mit dem Gedanken, ihm den Ellbogen in die Rippen zu jagen, aber nach der langen Ausbildung bei der Polizei, die er durchlaufen hatte, war es ziemlich gefährlich, sich mit ihm anzulegen, außerdem ließ er mich nie gewinnen, was so absolut hochnäsig von ihm ist, dass ich es echt nicht kapiere; ein
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