Mordsgefluester
wahrer Gentleman würde mich wenigstens ab und zu siegen lassen. Zudem hatte ich nichts an als sein Hemd und seinen Bademantel, die beide viel zu groß für mich waren. Falls wir zu raufen anfangen würden, wäre ich den Bademantel in Sekundenschnelle los und das Hemd würde mir um den Hals rutschen, weil es, na schön, jedes Mal so endete, wenn wir zu raufen begannen.
Stattdessen stellte ich die Tasse ab und nahm ganz ruhig seine Arme weg, weil ich genau wusste, dass ihn das tiefer treffen und viel mehr ärgern würde. Nachdem ich die Tasse noch einmal vollgeschenkt hatte, ging ich damit an den Tisch, setzte mich hin und wurde kurz von meiner Lederumhängetasche abgelenkt, die mitten auf dem Tisch lag. Bis jetzt war ich so damit beschäftigt gewesen, mit ihm zu streiten, dass ich sie ganz übersehen hatte, was wohl deutlich zeigt, was für eine grauenvolle Wirkung er auf mich hat. Während ich um mein Leben gekämpft hatte, hatte ich die Tasche – oder meine Schuhe – keine Sekunde vergessen, aber sobald es um Wyatt ging, verabschiedete sich meine Konzentration. Beängstigend.
Ich fragte mich kurz, ob er das Messer in der Tasche gelassen oder ob er mich entwaffnet hatte. Das würde ich später kontrollieren. Im Moment war Kommunikation angesagt. Ich zog das Notizbuch zu mir her und begann zu schreiben. Nachdem ich fertig geschrieben hatte, drehte ich es auf den Kopf und schubste es über den Tisch zu ihm hin.
Er schenkte sich ebenfalls noch eine Tasse Kaffee ein und kam an den Tisch, wo er mit gerunzelter Stirn meine Nachricht las. Beides. Erst musste ich in dem Qualm dauernd husten, dann habe ich meine Stimmbänder überanstrengt, weil ich so schreien musste, damit mich irgendjemand hört, als ich sie in der Menge sah. Mit dir spreche ich sowieso nicht mehr, und die Hochzeit ist abgesagt!
»Ja«, bestätigte er spröde. »Den Zettel über die Hochzeit habe ich gesehen.« Er blickte auf und richtete seine schmalen, grün funkelnden Augen auf mich. »Lass uns eines klarstellen. Ich werde alles tun, was ich tun muss, um dich zu beschützen und um zu vermeiden, dass dir was passiert, selbst wenn du noch so sauer auf mich bist. Dich in den Streifenwagen zu setzen und dort zu lassen war die beste Methode, um zu vermeiden, dass du in Schwierigkeiten oder in Gefahr gerätst. Dafür werde ich mich auf gar keinen Fall entschuldigen. Niemals. Kapiert?«
Er war echt geschickt darin, den Spieß umzudrehen, das musste ich ihm lassen. Er konnte meine Argumente so umkehren und mir so das Wort im Mund verdrehen, dass nur ein wirklicher Kleingeist ihm widersprochen hätte. Das ist okay; es stört mich nicht, ein Kleingeist zu sein. Ich streckte die Hand vor und zog das Notizbuch wieder an mich.
Das ist nicht mehr dein Problem. Sobald jemand meine Sachen bringt, bin ich so was von weg hier.
»Das glaubst du«, sagte er ruhig, nachdem er die Nachricht gelesen hatte. »Dein kleiner Hintern wird schön hierbleiben, wo ich ihn im Auge behalten kann. Du kannst unmöglich bei deinen Verwandten unterschlüpfen, weil du sie dadurch in Gefahr bringen würdest. Dich versucht jemand umzubringen, und es ist ihr egal, ob jemand anderes verletzt wird, solange sie dich erwischt.«
Verdammt, verdammt, verdammt! Damit hatte er recht.
Ich schrieb: Dann gehe ich eben in ein Hotel.
»Nein, das wirst du verflucht noch mal nicht. Du wirst hierbleiben.«
Dagegen sprach ein gewichtiger Einwand, also brachte ich ihn vor. Und wenn sie mir hierher folgt? Dann wärst du genauso in Gefahr wie jeder andere, bei dem ich unterkommen würde. Und du wirst nachts oft rausgerufen.
»Das werde ich berücksichtigen«, sagte er, nachdem er lange genug verstummt war, um meinen Einwand zu lesen, aber keinesfalls lange genug, um ernsthaft darüber nachzudenken. »Du musst mir in dieser Sache vertrauen. Jeder Brandstifter hinterlässt Spuren, außerdem werden nach einem Mord oder einer Brandstiftung standardmäßig die Schaulustigen gefilmt, und ich habe noch während der Fahrt zu deinem Haus alle darauf eingeschworen, dass wir es mit einer Brandstiftung zu tun haben. Einer unserer Kollegen hat alle Anwesenden gefilmt, noch bevor du sie bemerkt hast. Du brauchst sie uns nur auf dem Film zu zeigen, den Rest übernehmen wir.«
Das war eine Erleichterung. Er hatte keine Ahnung, wie groß die Erleichterung war, weil er nicht mit mir in der Wohnung gewesen war. Dennoch wäre ich noch viel erleichterter gewesen, wenn man sie schon verhaftet hätte, was passiert
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