Mordsgefluester
segnete ich Jenni im Geiste dafür, dass sie auch an alle wichtigen Kleinigkeiten gedacht hatte. Ich putzte die Zähne, salbte meine Haut mit Feuchtigkeitscreme – sie hatte es dringend nötig, nachdem sie erst Hitze und Ruß ausgesetzt und danach mit Spülmittel abgeschrubbt worden war – und trocknete meine Haare. Als ich endlich angezogen war, fühlte ich mich wieder wie ein Mensch. Wie ein unendlich müder Mensch, aber dennoch ein Mensch.
Wyatt wartete auf mich, als ich nach unten kam, allerdings hätte es mich auch überrascht, wenn er ohne mich gefahren wäre. Seine Miene strahlte immer noch leichten Groll aus, aber er sah mich eindringlich an und meinte dann aus heiterem Himmel: »Du musst etwas essen.«
Mein Magen war derselben Meinung. Mein Hals sagte allerdings, kommt gar nicht in Frage. Ich schüttelte den Kopf und deutete auf meinen Kehlkopf.
»Dann Milch. Milch kannst du trinken.« Er hatte immer Milch daheim, für die Frühstücksflocken. »Oder Haferbrei. Setz dich hin, ich mache uns in der Mikro etwas Haferbrei warm.«
Er war fest entschlossen, und er hatte wahrscheinlich recht; nachdem wir die Nacht durchgemacht hatten, mussten wir beide etwas essen. Es schien mir, als wären Tage vergangen, seit er meinen Anrufbeantworter mitgenommen hatte, um ihn analysieren zu lassen, dabei war es in Wahrheit keine zwölf Stunden her. Die Zeit verfliegt, wenn du aus dem Obergeschoss eines brennenden Hauses springen, über Zäune klettern, nach einer Irren Ausschau halten und dich in einen stinkenden Streifenwagen sperren lassen musst, während diese Kuh dir Fratzen schneidet, ohne dass du sie aufschlitzen kannst.
Er zog sein Jackett aus und machte in der Mikrowelle zwei Schüsseln mit Instant-Haferbrei warm, wobei er in meinen so viel Zucker und Milch schüttete, dass er halb flüssig wurde. Vorsichtig nahm ich einen Löffel voll; der Brei war lecker, heiß und so schleimig, dass ich ihn schlucken konnte, wenngleich ich dabei ins Husten kam. Husten war kein Spaß. Ich machte unbeirrt weiter, bis ich die Schüssel halb leer gegessen hatte, aber das Husten, das jedem Bissen folgte, setzte meiner Kehle zusätzlich zu, die sich ohnehin anfühlte wie sandgestrahlt, darum gab ich schließlich auf. Vielleicht sollte ich mich während der nächsten Tage von Milkshakes, Joghurt und Wackelpudding ernähren.
Wir räumten gemeinsam den Tisch ab, obwohl es kaum etwas abzuräumen gab: zwei Schüsseln, zwei Löffel, zwei Kaffeetassen. Als alles in der Spülmaschine verstaut war, nahm ich meine Ledertasche – ja, er hatte das Messer herausgeholt –, sah ihn an und drehte pantomimisch einen Schlüssel im Zündschloss.
»Die sind noch im Auto«, sagte er, womit mein Mercedes gemeint war. Er hatte seinen städtischen Dienstwagen gefahren, den Crown Vic. Sein Avalanche hatte ein grausiges Ende genommen. Ich hatte beobachtet, wie einer der Vorderreifen in Flammen aufgegangen war, daher wusste ich, dass es ein Totalschaden war, auch wenn die Feuerwehr den Wagen sofort zu löschen versucht hatte. Die Hitze war so intensiv gewesen, dass der Lack Blasen geworfen hatte und die Scheinwerfer sowie die Motorabdeckung zerschmolzen waren, von anderen widerlichen Dingen ganz zu schweigen. Wyatt hatte den Verlust seines Pick-ups bemerkenswert gelassen hingenommen, doch ich schätze, er war oft genug zu Bränden gerufen worden, um von Anfang an zu wissen, dass der Wagen nicht zu retten war.
Vergiss den Pick-up, hatte er gesagt. Und du bist sicher, dass dir nichts passiert ist?
Verflucht. Es war nicht leicht, wütend auf einen Mann zu sein, der dich genauso liebte wie du ihn.
Und dann unterlief dieser hinterhältige Mistkerl meine Abwehr, indem er mich für einen langen, hungrigen Kuss an seine Brust zog. Als er den Kopf wieder hob, sah er mir ins Gesicht, deutete ein Lächeln an und küsste mich noch einmal. »O doch«, sagte er. »Die Hochzeit steht immer noch.«
22
Wyatt fuhr bis zur Polizeistation hinter mir her, obwohl es eher unwahrscheinlich war, dass mir jemand von seinem Haus aus folgte. Niemand war uns dorthin gefolgt, nachdem wir von meinem ausgebrannten Apartment abgefahren waren, außerdem stand sein Name nicht im Telefonbuch, weshalb er nicht so einfach ausfindig zu machen war wie ich. Ich hatte noch nie eine Geheimnummer beantragt, hatte noch nie versucht, mich vor jemandem zu verstecken. Natürlich ist es für jemanden, der weiß, wo du arbeitest, kein Problem, dich aufzuspüren.
Was mich zu der Frage führte, ob
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