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Mordshunger

Titel: Mordshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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mitbringen? In Blau sind sie am schönsten, aber blau steht dir ja nicht, das hat dich schon als Kind so blass gemacht. Willst du ein rotes?«
    »Ich will schlafen«, jammerte Rabenhorst. »Ist das denn so schwer zu verstehen?«
    »Ja, wenn du unbedingt willst. Aber nachher sind sie weg, und die sind so preiswert. Schließlich will ich dir ja nur einen Gefallen tun.«
    »Du tätest mir den allergrößten Gefallen, indem du einfach nicht mehr anrufst.«
    »Also, man wird doch noch was sagen dürfen. Schließlich bin ich deine Mutter. Du bist immer gleich so empfindlich, du kannst überhaupt keine Kritik vertragen. Warum stehst du eigentlich nicht auf?«
    »Ich bin aufgestanden, Mama.«
    »Wo ist dann das Problem? Ich weiß wirklich nicht, wo das Problem ist.«
    »Aber ich. Es ist in meiner Hand. Es ist ein Telefonhörer. Ich werde das Problem jetzt lösen. Tschüss, Mama.«
    Er legte so schnell auf, dass sie garantiert keine Luft mehr holen, geschweige denn noch etwas sagen konnte, verdrehte die Augen und ging ins Bett. Obwohl es heiß war, zog er sich die Decke über beide Ohren, schmatzte ein paar Mal laut und schloss die Augen.
    Es schellte.
    Er öffnete die Augen wieder und starrte vor sich hin. Was sollte er tun? Es würde schellen bis in alle Ewigkeit.
    Er ging ran.
    »Junge, das ist mir gerade durch den Kopf gegangen. Ich meine, du solltest im Büro sein. Wenn dein Chef jetzt anruft, wird er sich sehr wundern, dass du so verschlafen klingst. Nachher sagt er noch, der Herr Rabenhorst kommt seinen Pflichten nicht nach, der liegt im Bett, wenn man ihn braucht. Er wird sagen, Herr Rabenhorst, Sie sollten sich was schämen. Das ist nicht gut für deine Karriere.«
    »Mama …«
    »Du kannst dir ruhig mal was sagen lassen von deiner Mutter. Ich bin ein bisschen älter als du. Und geh nicht wieder mit Jeans ins Büro, das wird nicht gern gesehen.«
    »Mama, ich …«
    »Dein Vater war immer sehr korrekt. Er ist keinen einzigen Tag in seinem Leben zu spät gekommen. Ihr jungen Leute glaubt ja heute alle, ihr wärt so modern. Progressiv nennt ihr das ja wohl. Eines Tages wirst du mir mal dankbar sein …«
    »Mama! Mama, Mama! Ich werde dir dankbar sein. Ich werde dankbar sein, wenn du in den nächsten vierundzwanzig Stunden nicht mehr anrufst. Bitte, Mama!«
    Er knallte den Hörer auf die Gabel und stapfte wutschnaubend zurück ins Schlafzimmer. Zähneknirschend rollte er sich zusammen, schloss die Augen und zählte bis zehn.
    Nichts geschah.
    Er holte tief Luft und zählte bis zwanzig.
    Alles still.
    Rabenhorst entspannte sich.
    Es schellte.
    Er fuhr hoch wie von der Tarantel gestochen, sprang aus dem Bett, raste ins Wohnzimmer, riss den Hörer ans Ohr und schrie:
    »Mama, es reicht! Hörst du? Es reicht!!!«
    »Ah, Rabenhorst«, sagte Cüpper, »Entschuldigung, alter Junge, ich hab gar nicht auf die Uhr gesehen. Wir sollten nicht zu lange schlafen. Seien Sie um halb zehn bei mir, ich mache Frühstück. Wir besprechen dann die weiteren Schritte. Übrigens, warum melden Sie sich mit ›Mama‹?«
    »Das ist eine zu lange Geschichte«, greinte Rabenhorst, legte auf und tapste gebrochen ins Bad.
     
    Sie sehen irgendwie genervt aus«, konstatierte Cüpper und strich sich derart dick die Leberwurst aufs Brötchen, dass es Rabenhorst vom Hinsehen schlecht wurde. »Was haben Sie getrieben? Waren Sie nicht müde?« Rabenhorst schüttelte stumm den Kopf. Cüpper überlegte, was er dem armen Mann Gutes tun könne. Er könnte ihm ein Rührei machen. Cüpper hatte in Sachen Rührei den schwarzen Gürtel. Zwei Eier, zwei Esslöffel Butter, vier Esslöffel Sahne, Pfeffer, Salz, etwas frisch geriebener Muskat, langsam erhitzt und ständig geschlagen, bis die Masse stockte. Bei dem Gedanken lief ihm das Wasser im Mund zusammen.
    Rabenhorst wollte kein Rührei. Cüpper versuchte es mit starkem Kaffee. Das klappte.
    »Und Sie?«, gähnte Rabenhorst. »Haben Sie nicht geschlafen?«
    Mit wem, fragte sich Cüpper im Stillen. Er hatte ihr den Kaffee immer ans Bett gebracht. Rabenhorst war kein passender Ersatz.
    »Nein«, sagte er, »ich habe nicht geschlafen. Ich war Leute besuchen.«
    »Leute? Was für Leute?«
    »Astrid Hasling.«
    »Ah ja. Und wer ist das?«
    Cüpper klärte ihn auf.
    »Es wäre nett, wenn Sie sich diese Werbeagentur mal ansehen würden«, sagte er. »Hasling und Partner, Clemensstraße hundertvier. Reden Sie mit jemandem, der einigermaßen über den Laden Bescheid weiß. Ich werde den Eindruck nicht los, dass dieser

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