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Mordshunger

Titel: Mordshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Marion Ried war Tierpflegerin!
    Mord und Totschlag, dachte Cüpper, während er dem Zoobediensteten folgte, und dann ein Mädchen, das verträumt mit Äffchen spielt. Es gab nur eine Sorte, die noch schlimmer war. Angehende Kinderärztinnen. Romantelnde Wesen, die auf Whitney Houston standen und im Kino heulten. Wenn sie Säuglinge oder kleine Hunde sahen, verfielen sie in quiekenden Schwachsinn. Du lieber Himmel.
    »Hätten Sie Frau Ried nicht nach vorne bitten können?«, maulte Cüpper. Tiere sah er so gut wie keine. Tiere hatten keinen Grund, im Regen rumzulatschen.
    »Is nit mehr weit«, antwortete der Mann.
    »Schon klar. Wir sind ja auch erst zehn Minuten unterwegs.«
    »Tut mir leid. Die Frau Ried tät mich erschlagen, wenn ich sie dahinten weghol. So fleißig, wie die is.«
    Wahrscheinlich Meerschweinchen melken, dachte Cüpper. Besser, er hätte Rabenhorst geschickt.
    Sie passierten einen Durchgang zwischen Känguruhs und Ziegenböcken, gingen an neugierig gereckten Straußenhälsen vorbei und erreichten endlich ein langes querliegendes Gebäude, dessen Rückseite an die viel befahrene Riehler Straße stieß. Links und rechts davon erstreckten sich große Freigehege. Cüpper blinzelte, während er dem Mann zur Tür des Gebäudes folgte, aber er sah keine Tiere im Gelände. Das letzte Mal im Zoo gewesen war er vor über dreißig Jahren, als die Bären noch in Eisenkäfigen gesessen hatten. Damals war er auf die alte Lokomotive geklettert, von der er nicht wusste, ob es sie überhaupt noch gab. Die Kölner Spielplatzattraktion, ein schönes schwarzes Ungeheuer, das bezwungen werden wollte. Ganz klein und außer Atem hatte er neben dem Schornstein gestanden und auf die Welt herabgesehen. An diesem Tag hätte ein Abenteurer aus ihm werden können, aber dann schaffte er es nicht mehr runter und begann zu heulen. Sein Vater rief, er sei ein Feigling. Nicht, dass er seinem Sprößling weh tun wollte. Er war ganz einfach überzeugt, einen Angsthasen in die Welt gesetzt zu haben, reckte zwei starke Arme, und innerhalb weniger Sekunden hatte die Erde den kleinen Romanus wieder. Sein Vater beschloss, etwas gegen die Angst zu unternehmen und ihm Gelegenheit zu geben, seine Schlappe von der Lokbezwingung mannhaft wettzumachen. Er hatte es gut gemeint. Aber er hatte es nicht gut gemacht.
    »So«, schmunzelte der Mann, und Cüppers Erinnerungen zerstoben wie ein Schwarm Mücken, »da hamer’t ja wieder mal geschafft, ne? Is aber auch furchbar mit dem Wetter. Sommer soll dat sein. Ich weiß nit recht. Warm isset ja. Aber all der Regen, ob dat so normal is um die Jahreszeit …«
    »Wo finde ich Frau Ried?«
    »Da drinnen, die is da irgendwo.«
    »Irgendwo ist gut.«
    »Könnense nit verfehlen, so wat Hübsches hat der Zoo schon lang nit mehr gehabt.« Er zeigte auf die Tür, grinste und empfahl sich.
    Cüpper ging hinein und fand sich in einem teilweise verglasten Vorraum wieder. Dahinter schloss sich ein breiter Korridor an, dessen komplette rechte Seite mannshoch vergittert war.
    »Frau Ried?« Keine Antwort. Er runzelte die Stirn und warf einen Blick aus dem großen Fenster. Einige Meter unter ihm erstreckte sich das linke Freigelände.
    »Frau Ried, sind Sie da?«
    Achselzuckend betrat er den Gang. Hinter den Gittern lagen große Kammern, durch Stahlklappen voneinander getrennt und an den rückwärtigen Seiten offen. Cüpper ging näher ran und versuchte, einen Blick auf das dahinterliegende zweite Freigelände zu erhaschen.
    »Frau …«
    Etwas Riesiges kam durch die Öffnung. Cüpper sah eine gewaltige Masse Fell auf sich zuschießen und gegen das Gitter prallen. Sofort brach ihm der kalte Schweiß aus, und er taumelte zurück. Ohrenbetäubendes Brüllen hallte durch den Korridor, vermischt mit dem Klirren der dünnen Eisenstäbe.
    Sie gaben nach! Sie würden brechen!
    Cüpper wirbelte herum, wollte hinauslaufen und prallte mit jemandem zusammen.
    »He!«, wurde er angeschrien. »Sind Sie noch ganz dicht?«
    Er sah in grüne Augen und fuhr erneut zurück.
    »Ich …«
    »Hier hat niemand was verloren! Raus hier! Geh Flamingos gucken.«
    Sein Blick wanderte hektisch zwischen der Katze vor ihm und der im Käfig hin und her. Er wusste nicht, welche gefährlicher war, aber die eine konnte wenigstens sprechen.
    »Sind Sie Frau Ried?«
    Der Blick aus den grünen Augen verfinsterte sich noch mehr.
    »Wer will das wissen?«
    »Kriminalpolizei. Kommissar Cüpper.«
    Die Frau holte tief Luft und ließ den Eimer fallen, den

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