Mordshunger
noch die Blutuntersuchung.«
»Ach, Krüger? Der wollte eben zu dir. Kam hier vorbeigelatscht. Lange Fresse, wie gewohnt. Ich war natürlich neugierig, was mich jetzt in die Lage versetzt, ihm die Überraschung zu verderben.« Die Königin schnalzte mit der Zunge. »Soll ich?«
»Ich kann keine Überraschungen mehr gebrauchen«, erwiderte Cüpper. »Was hat Krüger gesagt?«
»Dass einige der Blutflecken nicht von unserer schönen Inka stammen, sondern von jemand ganz, ganz anderem.«
»Na also!«
»Klingt, als hättest du’s geahnt.« Brauner wirkte enttäuscht.
»Geahnt ist untertrieben. Es bestätigt eine Theorie.«
»Ihr habt eine Spur?«
»Wir haben ein bisschen mehr. Möglicherweise. Rabenhorst ist unterwegs, um jemanden zu verhaften. He! Was sind denn das für Stückchen da im Reibekuchen?«
»In Rübenkraut gewendeter Speck. Halte mich ja auf dem Laufenden!«
»Mach ich. Und danke für die guten Gaben.«
»Gern. Kadaverfrühstück.«
Cüpper schüttelte den Kopf. »Sag mal, Königin, was bringt einen Schöngeist wie dich bloß dazu, diesen Beruf zu ergreifen?«
Brauner grinste und tätschelte dem Augenlosen die Wade. »Menschen, Cüpper. Menschen. Ich hab halt gern mit ihnen zu tun.«
Revier
Astrid Hasling war weiß wie eine Wand. Zitternd saß sie in Cüppers Büro und riss mit dem Daumennagel die Finger ihrer rechten Hand wund, während die linke bemüht war, eine Tasse zu halten.
Die ganze Zeit über hatte sie leise geweint. Jetzt starrte sie mit geröteten Augen vor sich hin und schwieg.
Weder Rabenhorst noch Cüpper hatten nach der Verhaftung etwas aus ihr herausbekommen. Sie gestand nicht und leugnete auch nichts. Alles, was sie tat, war, einen Kaffee nach dem anderen in sich hineinzustürzen, zu schluchzen und dann wieder still dazusitzen. Es war, als habe sie mit allem abgeschlossen, als sei die Frage nach der Schuld angesichts ihres vernichteten Lebens unwesentlich geworden. Cüpper fühlte sich an ein kleines Kind erinnert, das sich die Augen zuhält, um nicht gesehen zu werden. Sie tat ihm leid.
Krüger kam herein und flüsterte ihm etwas zu. Cüpper nickte und fasste Astrid sanft bei den Schultern.
»Ich habe die Ergebnisse der Blutuntersuchung und der Fingerabdrücke bekommen«, sagte er leise. »Es sind Ihre Abdrücke auf dem Messer, und das wissen Sie genau. Ihr Blut am Türrahmen und an den Scherben. Astrid, es ist vorbei. Sagen Sie uns, was passiert ist. Mhm?«
Sie hob den Blick zu ihm und öffnete den Mund. Dann schüttelte sie heftig den Kopf und begann wieder zu weinen.
»Warum haben Sie es überhaupt getan?«, fragte Rabenhorst etwas zu laut. Cüpper warf ihm einen strafenden Blick zu. Rabenhorst zuckte schuldbewusst zusammen und ging zum Fenster.
Astrid zerfetzte weiterhin das Nagelbett ihres Zeigefingers. Sie schien den Schmerz nicht zu spüren. Als Cüpper sah, dass ihre Finger zu bluten begannen, nahm er ihre Rechte in die seine.
»Je eher Sie es uns erzählen, desto besser.«
»Nein«, wimmerte sie.
Cüpper seufzte. Wie er solche Augenblicke hasste. »Es hat doch keinen Sinn. Was wollen Sie uns noch verschweigen? Warum quälen Sie sich, anstatt Ihrem Herzen endlich Luft zu machen?«
»Nein.«
»Sie werden sich danach besser fühlen.«
»Nein.« Ihr Atem ging stoßweise. Schockreaktion, dachte Cüpper. Besser, wir hören auf.
»In Ordnung, ruhen Sie sich aus. Wir reden später miteinander.«
»Nein!«
»Später, Frau Hasling.«
»Nein!« Fast schrie sie das Wort. Ihre Hände krallten sich in Cüppers Hemd und zogen rote Spuren. Er nahm ihre Handgelenke und drückte sie zurück nach unten.
»Ruhig, Astrid«, sagte er warnend. »Bleiben Sie …«
Astrid Hasling riss sich los, sprang auf und taumelte zum Fenster. Fast gleichzeitig waren Rabenhorst und Cüpper bei ihr, um sie aufzuhalten. Als Cüpper sie zu sich herumriss, wusste er, dass die Krise nicht mehr aufzuhalten war. Ein Beben lief durch ihren Körper, dann brach sie zusammen.
»Rabenhorst, schnell! Einen Arzt.«
Cüpper ließ ihren Körper vorsichtig zu Boden gleiten.
»Astrid«, sagte er eindringlich. »Können Sie mich hören? Antworten Sie.«
Ein Ächzen kam aus ihrer Kehle. Langsam verdrehte sie die Augen, bis unter den flatternden Lidern nur noch das Weiße zu sehen war.
Dann begannen die Krämpfe, plötzlich und ruckartig. Fahler Schaum trat zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen hervor und tropfte zu beiden Seiten des Kinns herab. Cüpper presste ihre Arme zu Boden. Es war, als
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