Mordshunger
er keine Angst, dass man ihn verhaften könnte?«
»Was glauben Sie, warum ich Ihnen das alles hier erzähle? Fritz’ Interessen sind auch meine. Er hat selber nie die kleinste Schurkerei begangen. Wenn Sie heute nach Italien gehen und machen in der Florentiner Innenstadt ein Geschäft für deutsche Spezialitäten auf, steht morgen ein netter Herr darin. Er wird ein paar Frankfurter Würstchen kaufen, ein bisschen übers Wetter reden und kurz klarstellen, was man von Ihnen erwartet. Wenn Sie dem nachgeben, sind Sie noch lange kein Verbrecher. Sie wahren nur Ihre Interessen. Sie sind auch keiner, wenn Sie dem Vatikan eine Beteiligung an Ihrer, sagen wir mal, Fabrik für Präservative einräumen. Jeder weiß, dass viele Kardinäle alles andere als fromme Lämmer sind, aber wen schert das, wenn Sie selber eines sind.«
»Die Mafia hält selten ihre Versprechen«, stellte Cüpper fest. »Hatte Fritz von Barneck keine Angst?«
»Wer sagt denn, dass er keine hatte? Nach der missglückten Entführung war Fritz sicher, man könnte es wieder versuchen, ihn vielleicht sogar umbringen. Er wurde vorsichtig. In Köln steckte er bis zum Hals in den Südstadtprojekten, schon damals war er einer der meistgehassten Männer zwischen Eigelstein und Chlodwigplatz. In Italien ließ es sich kaum vermeiden, dass er pokern musste, wenn er nicht raus sein wollte aus dem Geschäft, also spielte er deren Spiel notgedrungen mit.«
»Gründe genug, sich Sorgen zu machen.«
»Sorgen hatte er reichlich. Und dann lief eines Tages einer seiner Sekretäre durch die Stadt und sah mich. Erst hielt er mich für Fritz, den er zehn Minuten zuvor verlassen hatte, und verstand die Welt nicht mehr. Dann fiel bei ihm der Groschen. Am nächsten Tag fand ich mich in der Villa wieder, Fritz machte mir ein Angebot, ich willigte ein und reiste zu einem ägyptischen Chirurgen.«
»Warum das?«
»Ich sah Fritz sehr ähnlich, aber die Natur macht nie zweimal das Gleiche. Erst unter dem Messer wurde ich tatsächlich der perfekte Doppelgänger. Es ist phantastisch, was plastische Chirurgie zu leisten vermag. Ich hatte die gleiche Statur und jetzt auch das gleiche Gesicht wie Fritz, sogar die gleichen Augen. Ich bin gelernter Schauspieler und zudem mit der seltenen Begabung ausgestattet, nahezu jede Stimme perfekt imitieren zu können. Sechs Monate lang tat ich nichts anderes, als meine Rolle zu lernen. Dann begannen wir mit den Tests. Als selbst seine engsten Vertrauten auf mich hereinfielen, ging ich an meine eigentliche Arbeit. Seitdem habe ich in seinem Namen Verhandlungen geführt, Reden gehalten und Geschäfte abgeschlossen. Überall, wo’s brenzlig werden könnte, bin ich Fritz von Barneck.«
»Und wann sind Sie noch Max Hartmann?«
»Jetzt gerade.«
»Gut. Haben Sie ihn letzte Nacht gedoubelt?«
»Nochmals nein.«
Cüpper sah ihm fest in die Augen. Hartmann erwiderte den Blick, ohne mit der Wimper zu zucken.
»Überlegen Sie es sich. Wenn Sie ihm geholfen haben, Inka umzubringen, sind Sie vielleicht der Nächste.«
Hartmann schüttelte den Kopf. »Fritz würde niemanden umbringen.«
»Sie haben eben selbst gesagt, dass Sie ihn eigentlich nicht kennen.«
»In mancherlei Beziehung, ja. Aber Mord? Das werde ich mir nicht einreden, und Sie können es auch nicht! Ich würde diesen Job nicht machen, wenn ich nicht grenzenloses Vertrauen zu ihm hätte.«
»Mensch, Hartmann«, seufzte Cüpper. »Eine Frau wird ermordet! Ihr Mann hat einen Doppelgänger, der in vollem Ornat von seinem Chef nicht zu unterscheiden ist. Und der Doppelgänger weigert sich zu allem Überfluss, mir zu verraten, wo er die letzte Nacht verbracht hat. Was würden Sie an meiner Stelle tun?«
Hartmann grinste schief. »Ich würde mir nicht glauben.«
»Eben.«
»Trotzdem, Sie irren sich. Fritz ist kein Mörder.«
»Dann Sie vielleicht?«
»Wozu, in Dreiteufelsnamen? Ich habe Inka von allen Menschen noch am besten verstanden. Ansonsten war sie mir egal.«
»Gut. Sagen Sie mir, wie die Frau heißt, und ich glaube Ihnen.«
»Indiskutabel.«
»Dann haben Sie kein Alibi.«
Hartmann holte tief Luft. Einen Moment lang glaubte Cüpper, er hätte es geschafft. Dann lächelte sein Gegenüber.
»Tut mir leid. Ich habe ein Versprechen gegeben. Nennen Sie es meinetwegen altmodisch. Sie hätten nichts davon, wenn Sie ihren Namen wüssten.«
»Das ist albern.«
»Mag sein. Warum vertrauen Sie mir nicht?«
»Dazu habe ich keine Veranlassung.«
Hartmann nickte. »Ich verstehe. Gibt
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