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Mordshunger

Titel: Mordshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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ihrem Zugriff offenbar durch gut vorbereitete Flucht von einer Ecke der Tasche in die andere, denn es folgten nacheinander ein kleiner, runder Spiegel, ein Kamm, zwei Lippenstifte und dreihundert Mark, ohne dass sie fündig geworden wäre.
    »Halt. Nicht so schnell.« Cüpper balancierte angsterfüllt den Spiegel und die Lippenstifte in die andere Hand. »Wie haben Sie das alles bloß da reinbekommen?«
    »Ergonomische Anwendungstechnik. Nehmen Sie einen Kaugummi?«
    »Ich kann gerade nicht.«
    »Egal. Ah, hier!«
    Mit Siegermiene fischte sie ein zusammengefaltetes Zettelchen aus den unerforschten Tiefen ihrer Tasche und hielt es Cüpper hin. »Für Sie.«
    Cüpper warf einen hilflosen Blick auf seine vollgepackten Hände. Sie kiekste in gespielter Verzweiflung und verstaute den Kram mit geradezu unglaublicher Geschwindigkeit und Präzision wieder in seine angestammte Umgebung, bis nichts mehr übrig war als das prall gefüllte Täschchen und der Zettel in Cüppers Hand.
    »Machen Sie schon auf«, strahlte sie.
    Amüsiert und ratlos fummelte er das dünne Papier auseinander. Es war ein Rezept für Tarte Tatin. Cüpper war zu Tränen gerührt.
    »Und deshalb sind Sie hergekommen?«
    Sie schüttelte den Kopf und lachte. »Nicht ganz. Ich möchte Ihnen was erzählen. Vorausgesetzt, Ihnen fällt eine Alternative dazu ein, mich im Regen stehen zu lassen.«
    »Ich wollte ohnehin was essen gehen.«
    »Einverstanden.«
    Cüpper nahm den Wagen, und sie fuhren ins Apropos, einer kühnen Fusion aus Boutique, Lifestyle-Supermarkt und Restaurant, gelegen unter einem Himmel aus Glas. Hier traf sich, wer genügend Geld hatte, um darüber zu reden, und zu wenig, um es zu lassen. Im geräumigen Innenhof lümmelten gestylte Menschen auf Designermöbeln. Der ganze Laden war eine einzige schillernde Oberfläche. Wer sie betrat, wurde augenblicklich schöner oder verblasste, je nach Vermögenslage. Cüpper liebte das Apropos, auch wenn die Preise an Wegelagerei grenzten. Es verlieh der Stadt den längst fälligen Glamour, seinetwegen fuhren Düsseldorfer zum Shoppen nach Köln, die Küche war ausgezeichnet, und Eva Feldkamp fügte sich ins Bild, als sei die komplette Kathedrale des Konsums eigens für sie errichtet worden. Eigentlich, fand Cüpper, gab es tausend Gründe, immer wieder hinzugehen. Es sei denn, man litt unter einer ausgeprägten Yuppie-Allergie.
    »Lassen Sie sich nichts erzählen«, raunte er, während er einen Tisch für zwei anpeilte. »Nehmen Sie auf jeden Fall das Wiener Schnitzel!«
    »Abgemacht. Was trinken wir dazu?«
    »Mittags sollte man auf Alkohol verzichten.«
    Sie stutzte, nickte und bestellte Wasser. Die Bedienung wandte sich zu Cüpper.
    »Und Sie?«
    »Ein Glas von dem Petit Cablis«, sagte Cüpper.
    »Petit Chablis?!« Eva verlor sichtlich die Fassung. »Aber Sie haben doch gesagt …«
    »Ich bin ein charakterschwacher Mensch.«
    »Sie haben mich reingelegt!«
    »Mach ich wieder gut. Warum bestellen Sie Wasser? Bloß, weil ich’s gesagt habe?«
    »Sie sind eitel«, schmunzelte sie. »Sie gefallen sich in so was, stimmts?«
    »Ich bin Polizist. Ich weiß, dass die meisten Leute tun, was andere von ihnen erwarten, ohne es zu merken. Sie glauben, ihrem eigenen, freien Willen zu folgen, auf den sie so verdammt stolz sind. Ich hätte weniger Arbeit, wenn es anders liefe.« Er grinste. »Ach ja, und ich bin eitel. Stimmt.«
    »Sie meinen, die meisten Verbrechen geschehen, weil Menschen manipuliert werden?«
    »Ich meine, es gibt immer einen, der sich den Unfug ausdenkt, und andere, die mitmachen. Charisma ist die Ursache etlicher Lumpereien.«
    »Jack the Ripper handelte alleine«, wandte Eva ein, nicht ohne Stolz, sich auszukennen.
    »Gerade das ist nicht erwiesen!«, konterte Cüpper. »Der Ripper hat vermutlich überhaupt nicht existiert, sondern entstand als Schreckgespenst vertuschungsfreudiger Politiker. Wenn Sie wissen wollen, was ich unter Mittäterschaft verstehe, lenken Sie den Blick in unsere Vergangenheit. Schauen Sie in den braunen Sumpf. Und weiter zurück. Gewöhnen Sie sich an, Protagonisten der Geschichte wie Napoleon und Cäsar als gewissenlose Schwerverbrecher zu sehen mit der Befähigung, andere für ihre Zwecke einzuspannen. Solche Leute schaffen sich ein Gefolge, dem sie per Dekret das Denken erlassen, ergo auch jede Verantwortung. Die Charismatiker sind die Gefährlichsten. Sie haben mindestens einen Komplizen. Ohne ihn kämen sie nicht so weit. Dummerweise ist es genau dieser Helfer,

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