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Mordshunger

Titel: Mordshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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zufrieden. Psychologen waren eben auch nur irgendwelche Leute. Er hatte das immer gewusst. Es gab viel zu viele Menschen, die sich für wichtiger und intelligenter hielten als andere, beispielsweise als die Polizei.
    Aber vielleicht war die Polizei ja intelligenter als die Experten?
    Einen Versuch mochte es wert sein. Wachtmeister Haas! Der Mann, der das Schweigen brach!
    Stellte sich die Frage, wie.
    Vielleicht durch ein Geräusch? Möglich, dass sie in eine Art Trance verfallen war. Der Wachtmeister legte die Zeitschrift weg und schnippte mit den Fingern in ihre Richtung.
    »Aufwachen!«, sagte er.
    Astrid Hasling würdigte ihn keines Blickes. Haas dachte kurz nach, ging auf Zehenspitzen zu ihr rüber und kniff sie vorsichtig in die Nase.
    Nichts geschah.
    Na, dann kitzeln. Da müsste sich zumindest ein Reflex einstellen. Ob er so was durfte? Schwer zu sagen. Zögernd streckte er die Finger aus und berührte ihre Seiten.
    Hinter ihm flog die Tür auf. Er fuhr herum und sah sich mit einer matronenhaften Frau konfrontiert, gefolgt von einem unteren Dienstgrad, der verzweifelt auf sie einredete.
    »Ich sagte doch, Sie dürfen hier nicht rein!«
    »Warum denn nicht?«, meckerte die Frau und schüttelte den Mann ab. »Sie haben selbst …«
    »Ich habe gesagt, er könnte hier sein, nicht, dass er es ist.«
    »Und ich sagte, dann sehen wir eben nach.«
    »Wer sind Sie?«, bellte Haas und warf seinem jungen Kollegen einen vernichtenden Blick zu.
    »Ich bin Frau Rabenhorst«, erwiderte die Frau, als müsse man das wissen, »und suche meinen Sohn.«
    Der Wachtmeister entspannte sich. »Ihr Sohn ist nicht hier.«
    »Wann kommt er denn?«
    »Das weiß ich nicht. Haben Sie in seinem Büro nachgefragt?«
    »Und ob sie das hat«, antwortete der jüngere Polizist. »Dann hat sie mich gelöchert, was ihr Sohn gerade tut, an welchem Fall er arbeitet, und so weiter und so fort.«
    »Und Sie haben gequasselt?«, knurrte Haas. Eigentlich war er nur wütend, weil diese kurze, dicke Frau mit den rosigen Apfelwangen seine Bemühungen sabotiert hatte, Astrid Hasling zum Reden zu bringen.
    »Ich wollte …«, begann der Polizist.
    »Der Herr war ausgesprochen freundlich«, sagte die Frau, die Rabenhorsts Mutter war. »Sehr im Gegensatz zu Ihnen. Als ich jung war, haben wir anders mit älteren Menschen gesprochen, das will ich Ihnen mal in aller Klarheit sagen. Aber heute gilt ja nichts mehr. Wenn Sie mir also verraten, wann mein Sohn kommt, kann ich hier so lange auf ihn warten.«
    »Hat Rabenhorst denn im Büro nichts hinterlassen?«, fragte Haas unwirsch.
    »Noch nie hat er das!«, rief die Frau. »Immer musste man fragen, hast du dies getan, hast du das getan, hast du deine Hausaufgaben gemacht, ein Drama! Er war immer so unselbständig, wissen Sie.«
    Der andere Mann grinste. Haas schüttelte energisch den Kopf.
    »Sie können hier nicht warten.«
    »Aber ich habe ihm was mitgebracht!« Ehe Haas Einspruch erheben konnte, hatte sie ein scheußliches Polohemd aus ihrer Einkaufstasche gefischt und am Fußende des Bettes ausgebreitet. »Aus dem Sonderangebot. Heute muss ja immer alles teuer sein, aber wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht, findet man viel Schönes für wenig Geld. Das ist topmodern! So sagt man doch wohl unter jungen Leuten?«
    Ihr Blick fiel in Astrid Haslings leere Augen.
    »Finden Sie nicht auch, meine Liebe?«, fragte sie, vor Herzlichkeit triefend.
    Haas kochte über. »Schluss jetzt. Lassen Sie die Frau in …«
    »Der Verkäufer sagte, es sei italienisch!«
    Astrid Haslings Lider begannen zu flattern.
    »Der Italiener«, murmelte sie.
     
    Einen Augenblick lang herrschte vollkommene Stille. Dann begannen alle gleichzeitig zu reden.
    »Wie war das?« – »Ganz billig!« – »Zum Teufel, was hat sie da gerade gesagt?« – »Kennen Sie eigentlich meinen Sohn?« – »Holen Sie Cüpper!« – »Italiener? Welcher Italiener?«
    »Ruhe!«, brüllte Haas. Die Szenerie erstarrte zu einem Stilleben.
    »Der Italiener«, flüsterte Astrid.
    Haas beugte sich zu ihr hinunter. »Ja?« Seine Stimme war leise und eindringlich »Was ist mit ihm?«
    »Der Italiener.«
    Er brachte sein Gesicht ganz nah an ihres.
    »Was ist mit diesem Italiener? Sagen Sie es uns.«
    »Der Italiener.« Ein dünner Speichelfaden lief ihr übers Kinn. »Ich kenne den Italiener.«
    »Weiter. Weiter!«
    »Der Italiener.«
    »Weiter!«
    Sie starrte an ihm vorbei.
    Zum Revier
    »Zweimal haben Sie geschrien«, sagte Cüpper, während sie Richtung

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