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Mordshunger

Titel: Mordshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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er oben! Vor ihm erstreckte sich eine Hochebene, gesäumt von Containerbauten und Maschinen. Wolken zogen durch Pfützen, deren Oberfläche sich fein kräuselte, sobald der schwülwarme Wind über sie hinwegstrich. Weiter hinten stieg das Gelände an bis zum Waldrand. Ein Bagger kroch sauriergleich auf die schwarzen Wipfel zu. Langsam kam eine Gruppe Leute von dort herüber. Allen voran leuchtete von Barnecks weißer Schopf.
    Es war trostlos und beeindruckend zugleich. Der richtige Ort für eine Hiobsbotschaft.
    »Was bauen sie hier?«, fragte Cüpper und gab sich Mühe, Eva Feldkamp nicht anzustarren. Sie trug ein elegantes, weinrotes Kostüm mit gepolsterten Schultern, schwarze Nylons und militarygrüne Gummistiefel.
    »Nichts Wesentliches«, erwiderte sie vergnügt. »Nur ein kleines Einkaufszentrum.«
    »Warum auf einem Hügel?«
    »Warum nicht? Übrigens, haben Sie sich mal an meiner Tarte versucht?«
    Cüpper sah an sich herunter und hielt es nicht länger aus. Er bat um ein Papiertaschentuch und rieb notdürftig seine Schuhe sauber.
    »Nein«, sagte er. »Aber wenn ich eine backe, lade ich Sie ein. Versprochen.«
    »Ich brenne darauf!«
    Da war es wieder, ihr Lächeln, und mit ihm erschienen die beiden Grübchen wie gut gelaunte Freunde. Cüpper fühlte sich elend.
    »Ich habe schlechte Nachrichten für Sie«, sagte er leise. »Sehr schlechte.«
    Das Lächeln verschwand.
    »Bin ich verhaftet?«
    »Schlimmer. Max Hartmann ist ermordet worden.«
    Er hatte sich ausgemalt, wie sie reagieren würde. Aber zuerst reagierte sie überhaupt nicht. Sie schien nur vollkommen erstarrt zu sein. Wie immer in solchen Momenten spürte Cüpper, wie ein Teil von ihm sich abspaltete. Ein distanzierter Beobachter, freundlich interessiert, aber ohne wirkliche Regungen, der jede Einzelheit seiner Umgebung archivierte, einen Haufen Banalitäten, um den wahren Schrecken aufzuwiegen.
    »Es tut mir leid«, sagte er aufrichtig.
    »Was ist geschehen?« In ihrer Stimme schwang etwas mit, als streiche eine Säge über Violinsaiten.
    »Er wurde erstochen. Er …« Cüpper zögerte. »Er trug die Verkleidung Fritz von Barnecks.«
    Ihre Kinnlade bebte. Sie steht kurz davor, die Nerven zu verlieren, dachte er. Ihr Schutz vor der Wirklichkeit gerät ins Wanken. Das Gefühl, in einem Film zu sein, sich selbst zu inszenieren, das Repertoire der Gefühle souverän zu beherrschen, alles verschwindet in einem bodenlosen Schacht.
    »Würden Sie mich eine Weile entschuldigen«, sagte sie leise.
    Cüpper nickte wortlos. Langsam wandte sie sich ab und ging hinüber zu den Baracken. Nach ein paar Schritten knickte sie ein, fing sich wieder und setzte ihren Weg fort. Cüpper sah, wie sie die herankommende Gruppe passierte und von Barneck sie ansprach. Offenbar blieb sie die Antwort schuldig. Er versuchte es ein zweites Mal, erfolglos, und schaute dann sichtlich verwirrt in Cüppers Richtung. Gestikulierend sagte er etwas zu den anderen, und die Gruppe löste sich auf. Plötzlich hatte er es sehr eilig. Die letzten Schritte lief er fast, während Cüpper ihm entgegenschritt.
    »Was zum Teufel haben Sie ihr erzählt?«
    »Wir müssen reden«, sagte Cüpper.
    »Reden, Sie wollen immer nur reden!« Von Barneck bleckte die Zähne. »Warum machen Sie nicht einfach Ihren Job?«
    »Gerade mache ich ihn. Mehr, als Ihnen lieb sein wird.«
    Der Millionär fuhr sich mürrisch durch die Haare und warf einen Blick auf die Gruppe, die inzwischen einen anderen Weg eingeschlagen hatte und am Rand des Hügels Messungen vornahm.
    »Schon gut, tut mir leid. Ich bin im Stress. Nichts läuft. Augenblicklich kümmere ich mich hier um alles im Alleingang.«
    »Ich fürchte, das wird so bleiben.«
    Von Barneck erstarrte mitten in seinen Bewegungen. Seine Augen richteten sich aus wie zwei Gewehre.
    »Was wollen Sie damit andeuten?«
    Cüpper fühlte sich so gut wie erschossen.
    »Nichts. Ich muss Ihnen die traurige Mitteilung machen, dass Ihr bester Freund ermordet wurde.«
    »Mein … Freund?«, echote von Barneck verblüfft.
    »Max Hartmann. Er war doch Ihr Freund?«
    Einen Moment lang wirkte von Barneck völlig hilflos. Seine Mimik geriet auf fatale Weise in Unordnung. Er trat einen Schritt zurück und blickte hinüber zu der Baubaracke, in der Eva Feldkamp verschwunden war. Dann erlangte er seine Beherrschung zurück, nur, dass seine Stimme plötzlich jede Modulation verloren hatte.
    »Was ist passiert?«
    »Das, was passieren musste, nehme ich an. Er war schließlich in Ihre

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