Mordshunger
Rolle geschlüpft, als man ihn ermordete.«
»Was???«
»Sie haben nichts davon gewusst?«, fragte Cüpper überrascht.
»Nein, ich … Max hatte keinen Auftrag.« Die Brust des Maklers hob und senkte sich ein paar Mal, als pumpe er Sauerstoffreserven in sich hinein, um das alles durchzustehen. Eigentümlich, dachte Cüpper, er reagiert anders als auf den Tod seiner Frau.
»Wann haben Sie ihn das letzte Mal gesehen?«, forschte er.
»Gesehen? Vorgestern!«
»Und gesprochen?«
»Gestern Abend. Das kann nicht wahr sein! Er rief mich an, es muss um halb elf gewesen sein, vielleicht auch früher. Er sagte … großer Gott. Er hatte recht!« Von Barneck ging unentschlossen ein paar Schritte auf und ab und blieb dann dicht vor Cüpper stehen.
»Sagen Sie mir, was passiert ist.«
»Er hatte recht? Womit?«
»Hat man ihn …« Von Barneck rang nach Worten. »Was haben die mit ihm gemacht?«
»Wer sind die?«
»Keine Ahnung, verdammt noch mal!«
Cüpper sah ihn scharf an. »Sind Sie sicher? Überhaupt keine Vorstellung, wer es gewesen sein könnte?«
»Nein, zum Teufel!«
»Es war immerhin sein Job, notfalls für Sie zu sterben.«
Von Barneck schüttelte den Kopf und sah an ihm vorbei.
»Erzählen Sie schon, was passiert ist.«
»Er wurde erstochen. Vermutlich draußen am Stadtrand. Wir fanden seine Leiche in einem Gebüsch nahe der Militärringstraße.«
»Entsetzlich«, flüsterte von Barneck.
»Warum so sentimental?«, sagte Cüpper hart. »Sie mussten doch damit rechnen. Was überrascht Sie so, dass es jetzt geschehen ist?«
»Weil … das können Sie nicht verstehen. Wenn man sich jahrelang kennt, ändern sich die Parameter.«
»Sie haben also eine Hälfte Ihres Ich verloren.«
Von Barneck schwieg.
»Oder könnte man sagen, Sie haben sich von ihm befreit?«
Es war, als hätte er auf den falschen Knopf gedrückt. Blitzschnell schoss die Hand seines Gegenübers auf ihn zu und stoppte kurz vor seinem Gesicht, den Zeigefinger starr erhoben. Es war so rasch gegangen, dass Cüpper nicht mal hatte zurückzucken können.
»Sie gehen mir auf die Nerven, Mann!«, knirschte von Barneck. »Sie gehen mir schrecklich auf die Nerven.«
Verblüffend. Hatte er von Barneck so tief getroffen? Oder war alles nur Theater?
Fritz ist eine Maschine, hatte Eva gesagt. Das mochte stimmen, aber wenn, bezog es sich nicht alleine auf von Barnecks Innenleben. Seine ganze Motorik hatte etwas beängstigend Präzises, als steuere ein Programm jede seiner Bewegungen.
Cüpper schob den ausgestreckten Arm zur Seite.
»Ich mache meinen Job«, sagte er lapidar. »Genau das, was Sie wollten.«
»Ihr Job kann nicht darin bestehen, mich jeder erdenklichen Schandtat zu verdächtigen.«
»Ich habe nicht gesagt, dass ich Sie verdächtige. Andererseits, warum haben Sie mir nicht gesagt, dass Sie ohne Ihre Frau ein armer Schlucker wären?«
Von Barneck starrte ihn an. »Was ist das denn für ein Quatsch?«
»Kein Quatsch. Wir haben uns ein bisschen schlau gemacht. Sie selber sind nie reich gewesen. Das Geld kam von Inka. Ihr gehörte alles, was Sie jetzt besitzen, stimmt’s? Das Haus, die Firma. Kaum auszudenken, wenn sie sich hätte scheiden lassen.«
»Sie mieser, kleiner …«
»Sagen Sie’s ruhig. Schnüffler? Ich bin ganz froh, einer zu sein. Es hält die Straßen sauber. Nun, Sie können die unpassende Wortwahl wettmachen, indem Sie mir für gestern ein glaubwürdiges Alibi liefern. Es liegt ganz bei Ihnen – miteinander oder gegeneinander.«
Von Barneck entspannte sich. Plötzlich wirkte er müde. Beinahe menschlich. »Vergessen Sie’s. Ich war zu Hause.«
»Unter Zeugen?«
»Natürlich. Schmitz erzählte mir heute Morgen, ich sei kurz vor Mitternacht in der Bibliothek eingeschlafen. Gegen zwei hat er mich geweckt, weil er meinte, ich sei im Bett bequemer aufgehoben.« Von Barneck versuchte sich an einem Grinsen, aber es wurde eine verzerrte Fratze daraus. »Womit er recht behielt.«
»Was hat Hartmann gesagt, als er Sie anrief?«
Von Barneck schaute mit zusammengekniffenen Augen in den Himmel. »Er war beunruhigt«, sagte er.
»Weshalb?«
»Da war ein Treffen. Jemand hatte ihn angerufen und behauptet, ein Bekannter aus Mailand zu sein. Im Prinzip unmöglich, weil niemand aus dieser Zeit Max’ Verbleib kennen, geschweige denn wissen kann, dass er mich doubelt. Wir hatten alle seine Spuren gründlich verwischt. Nachdem er für mich arbeitete, gab es quasi keinen Max mehr. Aber ebendarauf spielte die Person an.
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