Mordshunger
von Barneck wartete also auf sein Taxi?«
»So ist es.« Schmitz versuchte, seiner Stimme Festigkeit zu verleihen. »Herr von Barneck fuhr in die Philharmonie und kam um Viertel nach zehn zurück. Das kann ich verlässlich sagen. Ja, ich weiß ganz genau, dass es Viertel nach zehn war und nicht später oder früher.«
»Woher denn?«, fuhr ihn seine Frau an. »Du warst doch eingeschlafen!«
»Ich habe auf die Uhr gesehen«, bemerkte Schmitz pikiert. »Ich sehe oft auf die Uhr, es ist wichtig, dass man immer wieder auf die Uhr sieht. Eine Eigenschaft, die du in über vierzig Jahren Ehe nicht ansatzweise entwickelt hast.«
»Wir sind nie zu spät gekommen irgendwo!«
»Ja. Weil ich auf die Uhr gesehen habe!«
»Und weiter?«, fragte Cüpper.
»Er äußerte sich abfällig über die künstlerische Qualität des Abends und wollte im Folgenden nicht gestört werden. Zwecks dessen zog er sich ins Arbeitszimmer zurück. Aber schon fünf Minuten später schellte das Telefon. Es war Herr Hartmann …«
»Ach, is dat furchbar!«, heulte die Köchin.
»Eleonore, bitte.«
»Schön, es war Hartmann«, seufzte Cüpper. »Und was wollte er?«
»Er bat mich, ihn mit Herrn von Barneck zu verbinden, was ich selbstverständlich tat. Danach ging ich zurück in die Küche zu besagter Suppe, über der ich, wie meine Frau bemerkte, wohl nicht ganz von ungefähr eingeschlafen war …«
Eleonore Schmitz pumpte ihren ohnehin gewaltigen Busen zu solcher Größe auf, dass Cüpper versucht war, in Deckung zu gehen. Die erwartete Doppeldetonation blieb aus.
»Das ist ja wohl die Höhe. Die beste Erbsensuppe von ganz Köln, und du erfrechst dich vor dem Kommissar …«
»Ich bin sicher«, warf Cüpper eilig ein, »dass es die Suppe aller Suppen ist, gnädige Frau. Wenn Sie indes so freundlich wären, mich weiterhin über den gestrigen Abend ins Bild zu setzen.«
»Siehst du«, triumphierte Schmitz. »Er findet deine Suppe wenig hilfreich.«
»Quatsch nicht. Kochen Sie, Herr Kommissar?«
»Mit Leidenschaft.«
»Dann geh ich grad mal in die Küche«, sagte sie unter Tränen, »wegen dem Rezept.«
»Später«, bat Cüpper verzweifelt. »Wir wollen bitte bei Herrn Hartmann bleiben.«
Wieder wurden ihre Atemwege von einem gewaltigen Sog heimgesucht. Cüpper hielt sich unwillkürlich an der Sessellehne fest, um nicht für immer in den höhlenartigen Nasenlöchern zu verschwinden. Sie riss die Augen auf, öffnete den Mund und stand ganz offensichtlich im Begriff, etwas von ungeheurer Tragweite auszuspeien.
Schmitz und Cüpper starrten sie erwartungsvoll an.
»Ach, is dat furchbar!!!«
»Eleonore!«
Cüpper fasste einen Entschluss. »Passen Sie auf, Frau Schmitz. Ich brenne darauf, Ihre Suppe nachzukochen. Rufen Sie mich an, und geben Sie mir das Rezept. Dafür sagen Sie in den nächsten fünf Minuten gar nichts mehr. Ist das ein Deal?«
»Was ist ein Diehl!?«, fragte sie kleinlaut.
»Ein Deal ist … egal. Herr Schmitz, die Fortsetzung.«
Schmitz reckte das Kinn. »Nun, Herr von Barneck rief nach einem Cognac. Das tut er oft. Ich brachte ihm einen Otard, wobei ich kurze Fetzen seines Telefongesprächs sozusagen zwangsweise … äh …«
»Sozusagen.«
»Er erwähnte Mailand und eine Verabredung. Jemand hält dich zum Narren, sagte er. Geh nicht hin. Das alles liegt Jahre zurück. So in der Art hat er sich ausgedrückt.« Der Butler ließ ein trockenes Husten hören. Frau Schmitz sah Cüpper viel sagend an und machte mit der rechten Hand imaginäre Rauchbewegungen. »Jedenfalls, Herr von Barneck stellte das Gespräch wieder zurück in die Halle, wo ich kurz mit Herrn Hartmann sprach. Ich sollte nach einem schwarzen Notizbuch suchen. Währenddessen sah ich Herrn von Barneck ins Wohnzimmer gehen. Später wechselte er in die Bibliothek, wo er einschlief. Lange nach Mitternacht ging er dann zu Bett.«
»Wann genau?«, hakte Cüpper nach.
»Eine gute Frage. Ich bedaure, mich in diesem Fall mit einer Schätzung begnügen zu müssen. Zwei, halb drei.«
Frau Schmitz machte eine wegwerfende Handbewegung und zwinkerte Cüpper zu.
»Und dann?«
»Ich suchte weiterhin nach dem Notizbuch, konnte es jedoch – mit Verlaub – nicht finden.«
»Weil du nicht richtig nachgesehen hast«, platzte seine Frau heraus.
»Frau Schmitz, Sie wollten brav sein«, fuhr Cüpper dazwischen, aber es war zu spät. Schmitz bedachte seine Frau mit einem Blick voller Verachtung. »Ich habe selbstverständlich überall nachgesehen. An Stellen, die du gar
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