Mordshunger
wahrgenommen.
Jetzt war sie aus der Katatonie zurückgekehrt mit der sicheren Gewissheit, ihr begegnet zu sein. Der Italiener trug ihre Züge.
Sie bestellten einen Phantomzeichner ins Krankenhaus. Was auf dem Papier Konturen gewann, zeigte einen Mann, der durchaus Eva sein konnte, wenn man den Schnurrbart wegließ und sich statt der schwarzen Perücke langes, brünettes Haar vorstellte.
Rabenhorst befragte sie zu der Nacht, in der Inka ermordet wurde. Sie gab bereitwillig Auskunft. Nahezu alles deckte sich mit Cüppers Theorie.
Als sie schließlich das Krankenhaus verließen, fühlte Cüpper sich erleichtert, als hätte er eine Schuld abgetragen. Dafür beunruhigte ihn etwas anderes, und er überlegte, ob er Rabenhorst davon berichten sollte. Aber was hätte Rabenhorst Solides sagen sollen über die Geheimnisse einer langstieligen roten Rose in einem Messbecher aus transparentem Plastik, von einer Schreibtischkante stürzend, aufgefangen und zurückgestellt?
»Also hat Eva alles ausgeheckt«, sinnierte Rabenhorst. Sie saßen in Cüppers Büro, tranken zu viel Kaffee und strickten an der großen vereinheitlichenden Theorie.
»Von Barneck war ebenso ein Opfer wie alle anderen«, spann Cüpper den Faden weiter.
»Ja. Damals beschloss sie, seine Frau zu werden. Inka musste verschwinden. Den Plan bereitete Eva von langer Hand vor, wozu auch gehörte, uns auf möglichst viele falsche Fährten zu führen.«
»Was ihr verdammt noch mal gelungen ist! Die Spur nach Mailand war perfekt. Max als Komplizen zu gewinnen wird ihr erster Schritt gewesen sein. Er hatte mit Inka ein Verhältnis, das sich für verfängliche Fotos nutzen ließ.«
»Die wir natürlich finden sollten.«
»Ja, das war geplant. Nur hat Eva dem guten Max verschwiegen, dass dafür sein Tod erforderlich sein würde.«
»Max und Inka, falsche Fährte Nummer eins.«
»Dann war da Inkas Dealer. Eva und Max fanden heraus, wo und wann der Stoff übergeben wurde, und dass Inka mit dem Typ was hatte. Einer von beiden schlich Inka nach und schoss die Fotos im Park.«
»Inka und die Drogenmafia, falsche Fährte Nummer zwei.«
»Max beendet das Verhältnis mit Inka und hält ihr die Fotos unter die Nase. Inka ist zwar rachsüchtig, aber nicht dumm. Sie vereinbaren, sich gegenseitig nicht hochgehen zu lassen. Da kommt Eva die Idee, den Dealer später in Köln wieder auftauchen zu lassen, um das Maß der Verwirrung vollzumachen. Sie spielt ihn selber und gibt sich alle Mühe, gesehen zu werden.«
»Falsche Fährte zweieinhalb: Inka und der Dealer.«
»Genial.« Cüpper konnte sich ein Gefühl der Anerkennung nicht verkneifen. »Womit sie allerdings nicht rechnet, ist, dass ihr ausgerechnet Astrid Hasling über den Wegläuft.«
»Der berühmte Fehler im System«, nickte Rabenhorst.
»Ja, aber der macht sich erst mal nicht bemerkbar. Max tötet Inka. Evas Weg zu von Barneck ist frei, der Plan aufgegangen. Nur einer stört noch.«
»Max.«
»Genau. Dem hat sie wahrscheinlich weisgemacht, sie würde Fritz nach der Hochzeit um die Ecke bringen und die fette Erbschaft mit ihm teilen.«
»Also fingiert sie eine dubiose Verabredung am Grüngürtel, fährt Max dorthin und bringt ihn um. Vorher hat sie von Barneck überredet, die kleine Schau auf der Baustelle abzuziehen.«
»Max, der Engel, Fritz, das Schwein.« Cüpper stieß ein hartes Lachen aus. »Falsche Fährte Nummer drei. Eva konnte den Verdacht problemlos auf von Barneck lenken. Er hatte für jeden der beiden Abende ein Alibi.«
Rabenhorst sah unzufrieden drein.
»Trotzdem – das kann alles stimmen, aber warum war Max gefesselt? Ihn von hinten zu erstechen traue ich ihr zu, aber ihn zu fesseln!? Ein Meter neunzig Lebendgewicht, durchtrainiert und alles andere als dumm und unvorsichtig.«
Cüpper sah auf seine Schuhspitzen. Da war was dran.
Plötzlich kam ihm ein Gedanke.
»Wenn sie ihn nun betäubt hat?«, sagte er.
»Wann? Wo?«
»In ihrer Wohnung, kurz nachdem von Barneck weg war. Max kam ja aus der Philharmonie, wollte zu ihr, damit sie ihn zu seiner Verabredung fährt. Sie tut ihm was in die Limonade, fesselt ihn für den Fall, dass er vorzeitig wach wird, lädt ihn ins Auto, fährt ihn an den Stadtrand und macht ihm den Garaus.«
Rabenhorst zog eine Grimasse. »Betäubungsmittel? Hören Sie auf! Und dann in den Wagen schleppen!«
Cüpper schwieg. Rabenhorst hatte recht. Das war ein bisschen konstruiert.
»Wir müssen sie auf jeden Fall verhaften.«
»Von Barneck hat gesagt, ihre
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