Mordsidyll
dass er im Koma liegt. Mit ihm kann man reden. Wir hatten uns, sagen wir, diplomatisch geeinigt. Ihr habt Teile des Marktes bekommen, wir konnten in Ruhe unsere Geschäfte machen. Und jetzt? Jetzt befindet er sich gerade einmal einen Tag im Krankenhaus und du zettelst einen Krieg an.«
»Hör mal zu, du Arschloch. Entweder du rückst die Frau raus oder es gibt wirklich Krieg. Wir machen euch alle fertig. Einen nach dem anderen. Geht das in dein Hirn?«
»Ach, Viktor, du hättest mehr von Boris lernen sollen. Ich sage es zum letzten Mal: Wir haben nichts mit dem Mordanschlag zu tun. Warum auch?«
»Warum? Weil wir mächtiger werden! Und jetzt Schluss mit dem Gequatsche, entweder du lieferst uns die Mörderin oder â¦Â«
»Oder was? Willst du mich umbringen? Das ist nicht dein Ernst.« Mustafa baute sich drohend auf. »Deine ganze Familie würde ausgerottet werden. Deine Freunde, alle, die dir lieb sind. Und am Schluss bist du selbst dran. Es wird qualvoll für dich, glaube mir.«
»Meinst du?« Viktor griff nach dem Arm von Ãzlem, die schutzlos auf dem Sofa kauerte, zog sie grob zu sich und setzte ihr die Pistole an die Schläfe.
Die türkischen Bandenmitglieder auf der Tanzfläche zuckten nervös, doch ein Handzeichen von Mustafa genügte, um sie zu beruhigen. »Das wird dir leidtun, Viktor.«
»Das werden wir sehen. Wir nehmen sie als Geisel, bis ihr uns die Killerin ausliefert habt. So einfach ist das, Mustafa.«
Kapitel 4
23. April
Ein Geräusch hatte Anna geweckt. Schlaftrunken drückte sie den Lichtschalter des Weckers auf dem Nachttisch. Gleich 2 Uhr. Was störte bloà ihre Nachtruhe?
Obwohl man im Sauerland noch im April mit Schnee rechnen musste, war das Schlafzimmerfenster gekippt, damit sie genügend frische Luft bekam. Der Ruf eines Käuzchens drang aus dem nahe gelegenen Wald herüber. Aber der hatte sie bestimmt nicht aufgeschreckt. Das nächtliche Rauschen der Fichten, die Vogelstimmen, das gelegentliche Muhen der Kühe und das Klirren, wenn die Tiere gegen die Metallstangen stieÃen â das alles kannte sie. Es musste etwas anderes gewesen sein.
Anna stand auf, schlich barfuà zum Fenster und spähte durch die Gardine in den dunklen Hof hinunter. Manchmal kam Wild auf der Suche nach Nahrung aus dem Wald bis ans Wohnhaus heran. Doch drauÃen schien alles ruhig zu sein: keine Tiere, keine Spur von Menschen, die sich vielleicht verfahren hatten. Angestrengt blickte sie in die Dunkelheit und versuchte, neben den schemenhaften Umrissen der Sträucher und Bäume etwas zu erkennen.
Plötzlich hörte sie das Geräusch erneut. Ihr Herz blieb vor Schreck fast stehen. Die Dielen im Wohnzimmer unter ihr knarzten! Ab und zu ächzte das alte Gebälk bei groÃer Hitze oder Kälte, doch dieses Knarren â das war anders. Anna stand wie angewurzelt in ihrem Schlafzimmer und lauschte. Das Blut rauschte ihr derart in den Ohren, dass sie fast befürchtete, sie würde sonst nichts mehr hören. In diesem Moment ächzte es wieder unter ihr. Eindeutig  â da war jemand!
Vorsichtig schlich Anna zu ihrem Bett und tastete den Nachttisch ab. Verdammt! Sie hatte das schnurlose Telefon auf der Ladestation in der Diele vergessen! Wie hatte ihr das passieren können? Sonst nahm sie es immer mit nach oben, um genau für solch einen Fall gerüstet zu sein!
Voller Panik blickte Anna sich im Zimmer nach einer Waffe um, fand jedoch nichts, womit sie sich hätte wehren können. Ihre Gedanken überschlugen sich. Wie sollte sie sich verhalten? Krach schlagen und den Einbrecher vertreiben oder ruhig bleiben und so tun, als ob sie schliefe? Was wollte er überhaupt hier? Sie bewahrte im Haus keine nennenswerten Wertsachen auf. Waren es etwa Komplizen des Verbrechers, den sie versucht hatte, zu töten? Wollten sie sich nun rächen?
Sie widerstand dem Impuls, das Licht einzuschalten. Noch konnte sie fliehen. Sie musste sich lediglich hinunterschleichen und versuchen, zum Dorf zu gelangen. Doch ein weiteres Geräusch machte ihre Pläne mit einem Mal zunichte. Nicht die Diele unten, sondern eindeutig die Treppe nach oben zu ihrem Schlafzimmer knarzte unter dem Gewicht des Fremden. Der einzige Ausweg war versperrt.
Anna presste ihr Ohr an die Tür. Der Eindringling gab sich die gröÃte Mühe, geräuschlos vorzugehen, doch das alte Haus entlarvte jeden seiner
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