Mordsidyll
Person denn schon an Widerstand leisten? Er hatte schon ganz andere Kaliber zum Reden gebracht! Aber er musste sich nun mal an die Anweisungen seiner Kunden halten.
Lebrecht kramte in seiner Jackentasche und zündete sich eine neue Zigarette an. Immer diese Warterei! Sobald sich eine günstige Gelegenheit bot, würde er den Hof auf den Kopf stellen, sein Geld kassieren und dann erst mal für eine Weile in die Sonne verschwinden. Irgendwann musste diese Frau ja mal den Hof verlassen.
*
Während der Fahrt schwiegen Schröder und Ruste sich an, bis der Kommissar den Wagen vor einer dreistöckigen Jugendstilvilla in Siegen parkte.
»Was wollen wir hier?«, fragte Schröder zögerlich.
»Wir statten dem Obernazi der Region einen Besuch ab.«
Schröder stieg aus und blickte sich um. Das beeindruckende Gebäude befand sich in einer vornehmen Gegend in Hanglage. In der Ferne konnte er das obere Schloss und etwas darunter die Fürstenkrone auf der Nikolaikirche erkennen. Keine schlechte Adresse für einen Braunen.
Eilig folgte er seinem Vorgesetzten zu der wuchtigen Eichentür, neben der ein Schild aus Plexiglas angebracht war.
»âºDNU â Deutsche Nationale Union, Zweigstelle Westfalen Lothar Franke, Rechtsanwaltâ¹Â«, las Schröder laut vor.
»Gauleitung Westfalen wäre treffender«, witzelte Ruste.
In der protzigen Empfangshalle mit hohen Säulen und MarmorfuÃboden stand lediglich ein moderner Schreibtisch mit verdeckter LED-Beleuchtung. Dahinter saà eine attraktive Empfangsdame, die Ruste und Schröder ohne weiteres Aufheben vorbeilieÃ, als sie ihre Dienstausweise vorzeigten.
Als sie das Büro von Lothar Franke betraten, wurden sie von dem Vorsitzenden der Deutschen Nationalen Union höflich begrüÃt. Schröder hatte sich eine braune Höhle ganz anders vorgestellt.  Der Raum war geschmackvoll mit geradlinigen Designermöbeln eingerichtet, nichts deutete auf rechtsradikales Gedankengut hin. An den Wänden hingen expressionistische Bilder, die früher als entartete Kunst gegolten hätten. Auch Franke selbst erweckte nicht den Eindruck eines tumben Nazis. Sein gut sitzender, dunkelblauer Anzug und die eloquente Aussprache passten zu seinem Beruf als Rechtsanwalt, aber nicht zu einem extremistischen Rädelsführer.
Franke bat sie an einen kleinen Konferenztisch in dem geräumigen Büro und sagte mit ruhiger Stimme: »Kommen wir zur Sache. Was führt Sie zu mir?«
»Der versuchte Mord eines Russlanddeutschen vor der JVA in Attendorn. Unsere Ermittlungen haben ergeben, dass die Tat wahrscheinlich einen fremdenfeindlichen Hintergrund hat«, begann Ruste ohne Umschweife.
Franke lächelte. »Und da kommen Sie zu mir? Sehe ich aus, als würde ich Leute auf offener StraÃe angreifen? Oder glauben Sie, meine Parteikollegen würden Derartiges tun? Welche Stereotypen tragen Sie denn noch mit sich herum? Wir arbeiten auf politischer Ebene â ausschlieÃlich! Wir sind eine demokratische Partei und setzen uns friedlich für unsere Ziele ein.«
»Danke für Ihren Vortrag, aber wir sind hier nicht auf einer Wahlkampfveranstaltung«, erwiderte Ruste ungehalten. »Ich bin nicht so rhetorisch geschult wie Sie und will es daher direkt formulieren: Unsere Spur führt ins rechte Lager. Wir hätten gerne Ihre Mitgliederliste.«
»Dazu bin ich nicht verpflichtet. Es sei denn, Sie haben eine richterliche Verfügung.«
»Die brauche ich nicht. Mich können Sie mit Ihrem ganzen Hokuspokus nicht beeindrucken. Ihre DNU ist eine Truppe von rechten Schlägern übelster Sorte, die von einer Clique aalglatter Agitatoren wie Ihnen angeführt wird. Und Sie wollen laufende Ermittlungen nicht behindern, oder? Also, die Liste bitte!«
Franke ging nicht auf Rustes Provokation ein. »Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Sie mich damit einschüchtern, Herr Kommissar. Ãbrigens sollten Sie sich als leitender Beamter zu Befragungen angemessen kleiden.«
Der Hieb saà offensichtlich. Ruste war sprachlos. Eilig kam Schröder seinem Vorgesetzten zu Hilfe. »Die Tatwaffe stammt mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit aus dem nationalistischen Umfeld. Es besteht daher der dringende Verdacht, dass Ihre Parteimitglieder oder der DNU Nahestehende in das Verbrechen verwickelt sind. Ein Durchsuchungsbefehl ist eine reine Formalität. Und bestimmt würde die Presse
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