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Mordsidyll

Mordsidyll

Titel: Mordsidyll Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Zandecki
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dir das nicht mit ein paar Worten erklären. Aber die Polizei wäre der falsche Weg, weil ich nicht ganz unbeteiligt daran bin. Verstehst du?«
    Â»Nein, das verstehe ich nicht. Ich denke auch nicht, dass das die Wahrheit ist, Anna. Aber ich kann dir nur versichern, dass du dich voll auf mich verlassen kannst«, sagte Ronald. In seiner Stimme schwang Enttäuschung und Resignation mit.
    Â»Das weiß ich. Und dafür bin ich dir dankbar. Wir müssen uns jetzt erst mal in Sicherheit bringen und morgen werde ich alles regeln.« Anna wusste zwar noch nicht, was sie regeln sollte, doch sie hoffte, Zeit zu gewinnen.
    Ronald steuerte den Mercedes über die Brücke, die über die Biggetalsperre verlief. Anna schaute aus dem Fenster. In den leicht gekräuselten Wellen auf dem See spiegelte sich der Mondschein. Die Wasseroberfläche sah im Licht wie flüssiges Silber aus. Beim Anblick dieser Idylle kamen Anna die letzten Tage wie ein schlechter Traum vor.
    An einer Ampel bog Ronald auf die Landstraße ab, die sich entlang des Ufers der Listertalsperre wand. Anna kannte diese Strecke gut. Es war nicht mehr weit. Schweigend fuhr Ronald weiter und bog nach kurzer Zeit auf einen asphaltierten Wirtschaftsweg ab. Er schlängelte sich einen lang gezogenen Hügel hinauf, auf dem zahlreiche kleine Holzhäuser standen. Vor einem schmiedeeisernen Tor parkte Ronald seinen Wagen. Dahinter führte ein schmaler Kiespfad zu seiner Jagdhütte.
    Â»Ich schließe euch kurz auf, dann müssen wir erst mal schauen, ob noch Vorräte da sind«, sagte Ronald und ging zur Eingangspforte.
    Anna und Tim folgten ihm stumm. Ronald zog aus seiner Tasche einen Schlüsselbund hervor und öffnete die Tür. Nachdem er das Licht eingeschaltet hatte, machte er eine einladende Geste. »Dann mal herein in meine bescheidende Hütte. Ihr findet euch bestimmt zurecht.« Er verschwand in der kleinen Kammer neben der rustikal eingerichteten Küchenzeile und rief: »Mineralwasser, Bier, Knäckebrot und einige Dosen sind noch da.«
    Â»Danke, Ronald, das reicht«, antworte Anna.
    Ronald kam zurück in den Wohnraum. »Ihr müsst nur noch Feuer im Kamin machen. Das Wasser in der Dusche wird elektrisch erhitzt. Ich lass euch jetzt allein. Schließt ab. Hier seid ihr sicher. Aber morgen reden wir, Anna. Morgen gibt es keine Ausflüchte.«
    Anna drückte fest seine Hand und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Danke. Danke für alles, Ronald.«
    Als ihr alter Freund den Kiesweg hinunterging, blickte Anna ihm nach. Dann fiel ihr noch etwas Wichtiges ein. »Ronald!«, rief sie ihm hinterher. »Da ist noch was.«
    Er machte kehrt und kam ihr ein paar Schritte entgegen.
    Â»Die Kühe! Jemand muss sich morgen um die Kühe kümmern. Das kannst du bestimmt nicht machen. Hast du ein Telefon hier in der Hütte?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, aber du kannst mein Handy benutzen.« Er kramte in seiner Innentasche.
    Â»Nicht nötig. Um die Uhrzeit kann ich Bauer Wernike sowieso nicht mehr anrufen. Könntest du ihm morgen früh so um 5 Uhr Bescheid geben? Ginge das? Auf ihn ist wirklich Verlass, er hat mir schon öfter geholfen.«
    Â»Klar, mache ich. 5 Uhr. Ist ja nicht mehr so lange hin. Wie heißt der noch mal?«
    Â»Wernike. Ich kenne seine Nummer auswendig. Soll ich sie dir diktieren?«
    Â»Ja sicher doch, Anna.«
    Anna nannte die Ziffern und Ronald tippte sie direkt in sein Mobiltelefon ein. Dann sah er sie nochmals eindringlich an. »Schlaf gut.«
    Â»Ronald?«
    Â»Ja?«
    Sie ging auf ihn zu und umarmte ihn fest. Als sie ihn wieder losließ, lächelte er sie aufmunternd an. »Alles wird gut, Anna. Bis morgen«, beruhigte er sie und ging zu seinem Auto.
    Hoffentlich würde wirklich alles gut werden, dachte Anna. Sie glaubte nicht daran. Die Geschichte wuchs ihr langsam über den Kopf.

    *

    Ein müder Pförtner erklärte Ruste den Weg zur Intensivstation des St.-Martinus-Hospitals. Er hatte beschlossen, zuerst Wassiljew einen Besuch abzustatten. Wer wusste schon, ob er nicht wieder ins Koma fallen würde! Außerdem war ohnehin ein Streifenbeamter bei dieser Frau ohne Finger.
    Als Ruste nach einer kurzen Aufzugsfahrt in der richtigen Etage eintraf, war kein Mensch auf dem spärlich beleuchteten Gang zu sehen. Der typische Krankenhausgeruch mit einer Mischung aus Reinigungs- und Desinfektionsmitteln

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