Mordsidyll
bestimmt welchen im Eisfach. Du kannst sicher auch einen gebrauchen, oder?«
»Ja, das wäre nicht schlecht«, antwortete Anna und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Das mit Ronald ist aber nicht so, wie du denkst.«
»So? Wie ist es denn? Ihr habt euch vorher drauÃen sehr innig umarmt.« Tim deutete mit dem Kopf auf eines der Fenster.
Anna durchsuchte den Kühlschrank und fand eine volle Flasche Korn. Mit zwei Gläsern trat sie an den Tisch und goss sie randvoll. »Es ist ⦠Ach, ich kann das nicht erklären. Es ist einfach alles zu viel. Das mit Ronald ist ⦠ich weià nicht was. Er ist ein guter Freund. Vielleicht auch mehr, vielleicht auch nicht.«
Sie kippten ihren Schnaps in einem Zug hinunter. Der Korn brannte angenehm in Annas Magen. Nachdenklich blickte sie zu dem Kamin, in dem das Feuer loderte.
»Ach, hast du eigentlich noch diese CD?«, unterbrach Tim das Schweigen.
»Ja, sicherlich. Die müsste noch in der Tasche meines Kittels stecken. Der ist im Bad, ich hole ihn gleich. Was hast du mit der CD vor?«
»Was ich damit vorhabe?«, wiederholte Tim ihre Frage. Er blickte sich suchend im Raum um. »Ich habe da so eine Idee. Aber die muss wohl bis morgen warten.«
*
Erfreulicherweise hatte sich der Taxifahrer an Rustes Anweisung gehalten und war mit halsbrecherischem Tempo durch die Stadt und über die LandstraÃe nach Ratemicke gejagt. Nach rekordverdächtigen sieben Minuten Fahrzeit war Ruste im Dorf eingetroffen.
»Vielleicht bewerben Sie sich bei Ihrem Talent bei der Autobahnpolizei«, verabschiedete er sich von seinem Chauffeur, der das Lob mit einem zufriedenen Lächeln quittierte.
Vor der âºDorfschenkeâ¹ standen bereits zwei Streifenwagen. Trotz der späten Stunde hatten sich zahlreiche Neugierige aus dem Ort zusammengefunden. Bei den Minustemperaturen stieg ihr Atem im Licht der StraÃenlaternen in kleinen Wölkchen auf.
Ruste wurde bereits von einem uniformierten Beamten erwartet. »Kommissar Ruste, der Tatort liegt im Wald. Ich habe die Anweisung, Sie hinzufahren.«
Nachdem sie in eines der Polizeiautos eingestiegen waren, steuerte der Kollege den Wagen über die LandstraÃe und bog nach wenigen Minuten in einen dunklen Wirtschaftsweg ab, der sich entlang des Waldes schlängelte. Ruste sah in einiger Entfernung einen taghellen Lichtschein, der sich oberhalb des Wirtschaftsweges im Wald abzeichnete. Als sie sich näherten, erkannte Ruste zahlreiche Einsatzfahrzeuge, die kreuz und quer auf dem Weg parkten. Sie umzingelten einen groÃen Traktor samt Anhänger, der quer am Waldrand stand. Ruste blickte nach links, wo eine groÃe Kuhweide lag, deren Stacheldrahtzaun an einer Stelle niedergedrückt war. Als er aus dem Wagen stieg, dröhnte der Dieselkompressor, der den Strom für die zahlreichen Lampen erzeugte, in seinen Ohren. Und neben dem Dieselgestank des Kompressors stieg ihm der penetrante Geruch frischer Gülle in die Nase.
Widerwillig stapfte Ruste das steil ansteigende Gelände in den Wald hinauf, wo die meisten Halogenstrahler aufgestellt waren. Ohne eine Taschenlampe gestaltete sich der Anstieg mühsam. Ständig stolperte Ruste über Wurzeln, die im Dunkeln auf ihn zu lauern schienen. Als er endlich am Tatort ankam, stemmte er keuchend die Hände auf die Knie. Hätte er gewusst, dass er noch eine halbe Wanderung hinlegen muss, hätte er heute Abend nicht so viel geraucht.
Als er wieder zu Atem kam, stellte er sich aufrecht hin und verschaffte sich einen Ãberblick. Eine vergleichsweise groÃe Waldfläche war mit Flatterband abgegrenzt worden, in der die Kollegen der Spurensicherung in ihren weiÃen Overalls schon zugange waren. Jenseits der Absperrung stand ein Zinksarg. Der Deckel war nicht verschlossen. Direkt davor unterhielten sich Korfmacher und Schwenke angeregt. Ruste registrierte zufrieden, dass neben dem Rechtsmediziner und dem Leiter der Spurensicherung Schröder und Leuters ihren Posten bezogen hatten. Hatte sich der diensthabende Kripobeamte also trotz kranken Kindes die Ehre gegeben. Wenigstens etwas! Dann blieb nicht alles in dieser Nacht an ihm hängen.
Schröder erblickte seinen Chef als Erster und winkte ihn aufgeregt heran. »Kommissar Ruste, guten Abend. Hier ist das Opfer, wenn Sie es sehen möchten?«
Ruste trat an den Sarg heran und warf einen Blick hinein, bevor er in die Runde fragte: »Also, was
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