Mordskerle (German Edition)
Existenz in dieser Stadt hinwies.
Lena musste tief durchatmen. Sie wollte sachlich bleiben, gelassen agieren, um vor allem Annelie zu beweisen, wozu sie fähig war. Hastig notierte sie sich Breidbachs Adresse und Telefonnummer und stellte dabei Stirn runzelnd fest, dass der Snob Breidbach natürlich in Uhlenhorst wohnte. Eine gute, vornehme Gegend, wenn auch etwas überaltert. Dort lebten reihenweise Rechtsanwälte, Ärzte, gut situierte, weil längst akzeptierte Künstler, während alle anderen von diesem Stadtteil verachtet und links liegen gelassen wurden.
Lena rang sich zu einer weiteren Entscheidung durch. Sie würde auf der Stelle nach Uhlenhorst fahren. Nein, sie würde nicht länger zögern und zaudern, es galt, die Sache musste in Angriff zu nehmen. Was vor kurzem als eine von Annelies abstrusen Ideen das Licht der Welt erblickt hatte und wofür es überhaupt keinen fest umrissenen Plan gab, würde so Konturen annehmen.
Immerhin war Lena so ehrlich sich selbst gegenüber, zuzugeben, dass sie gar keine Vorstellungen von dem hatte, was sie Breidbach eigentlich sagen wollte, wenn sie ihm gegenüber stand. Dennoch blieb sie entschlossen. „Max Breidbach, jetzt komme ich!“, spornte sie sich an, als sie wieder im Auto saß und den Motor startete.
Es galt, Dr. Max Breidbach als Rechtsbeistand für Tim Valendiek anzuwerben – den Staranwalt für einen etwas verlotterten jungen Mann mit sozial schwachem Hintergrund, der nur, weil er sich den Traum von einem sündhaft teuren Fahrrad erfüllen wollte, mitten in eine Mordsache hinein gestolpert war.
7. Kapitel
D er Hamburger Stadtteil Uhlenhorst wirkte jetzt, im späten Mai, sehr grün und vornehm. Nein, nicht prächtig oder gar exklusiv, dafür waren eher Blankenese und die Elbchaussee zuständig, aber Uhlenhorst verstand es, mit angenehmer, unaufdringlicher Eleganz zu beeindrucken.
Alte Bäume am Straßenrand zeigten frisches grünes Laub, das jetzt noch nicht dank des unaufhörlich fließenden Straßenverkehrs dem Erstickungstod geweiht war. Das würde erst später im Hochsommer passieren, dann glänzte auch Uhlenhorst nicht mehr so einladend.
Gegen acht Uhr an diesem Abend parkte Lena ihren Porsche am Kantstein in der Schönen Aussicht, nicht weit vom Feenteich entfernt. Sie war ein bisschen nervös, aber nicht allzu sehr. Wieso auch? machte sie sich Mut. Max Breidbach war vermutlich ein kultivierter, netter Mensch, der ihr, kaum dass die geläutet hatte, nicht ohne weiteres die Tür vor der Nase zuschlagen würde, um sie dann draußen vor seiner Altstadtvilla stehen zu lassen.
Sie musste ihn dazu bringen, ihr zuzuhören, denn nur so würde sie ihn davon überzeugen, dass es um nichts weniger ging als einen unschuldig Verdächtigen vor den unerbittlich mahlenden Mühlen der Justiz zu retten. Sobald ihr das gelang, würde er ihr sicherlich seine Hilfe anbieten.
Eilig warf Lena sich ihre Umhängetasche über die Schulter, um direkt und entschlossen auf die imposante Gartenpforte zuzugehen.
Dieses Tor ließ sich nur widerwillig und geräuschvoll öffnen. Das Knarren verriet, dass es ziemlich lange nicht benutzt worden war. Der Garten, in dem das riesige Stadthaus aus den Zwanziger Jahren lag, präsentierte sich ebenfalls unerwartet ungepflegt. Irgendjemand hatte irgendwann einmal begonnen, den Rasen zu mähen, war jedoch dabei nicht sehr weit gekommen. Der Rasenmäher stand, wahrscheinlich schon eingewachsen, mitten in hoch wucherndem Gras und Unkraut.
Die Jalousien vor sämtlichen Fenstern waren herunter gelassen – ein Anblick, bei dem Lena erst einmal kräftig schlucken musste. Es führte kaum ein Weg an der Erkenntnis vorbei, dass das Haus nicht den Eindruck erweckte, als ob es noch bewohnt wurde. Doch das als Grund dafür zu nehmen, umzukehren und nach Hause zu fahren, kam für Lena jetzt nicht mehr in Frage.
Stattdessen fasste sie tapfer die möglichen Fakten zusammen. Erstens: Dr. Breidbach war nicht zu Hause. Zweitens: Dr. Breidbach war seit Wochen, möglicherweise sogar seit Monaten nicht zu Hause gewesen. Drittens: Vielleicht verbrachte er seinen Lebensabend auf den Seychellen oder den Kanarischen Inseln wie so viele wohlhabende Menschen dieses Landes.
Inzwischen zögerlich geworden, erreichte Lena die Eingangstür des Hauses, das aus nächster Nähe und bei genauerem Hinsehen den Eindruck von Verlassenheit und Vernachlässigung noch verstärkte.
Die Hauswände hätten längst einen neuen Anstrich gebraucht. Der wild wuchernde Efeu wuchs
Weitere Kostenlose Bücher