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Mordskerle (German Edition)

Mordskerle (German Edition)

Titel: Mordskerle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Schley
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schlug, bis ihre Arme erlahmten.
    Frau, was tust du? fragte Rahmi abends, nachdem seine Töchter ihm den Zwischenfall voller Anklagen gegen die Mutter geschildert hatten.
    Frau, was ist los mit dir? Die Mädchen haben dir nichts getan. Sie können nichts dafür, dass sie jung sind und leben. Das ist nicht ihre Schuld. Es ist auch nicht ihre Schuld, dass Metin tot ist.
    Das alles wusste sie. Sie wusste, dass er Recht und sie Unrecht hatte, wenn sie ihren Töchtern deren Leben vorwarf. Aber jede von ihnen hätte sie gegeben, wenn ihr dieses Opfer den Sohn zurück gebracht hätte.
    Erschlagen, dachte sie in ihren schlaflosen Nächten wieder und wieder. Erschlagen mit einem Stuhlbein. Wer ist so grausam, einen Jungen, ein halbes Kind mit einem Stuhlbein zu erschlagen? Und er war ja noch gar nicht tot gewesen, als der Mörder ihn ins Auto warf, um Kilometer weit zu fahren und ihn irgendwo in einem Park abzuladen wie ein Stück Gepäck, wo ihm niemand zur Hilfe kam, weil es Nacht war und keiner etwas sah oder hörte.
    Als man ihn endlich fand, war es zu spät. Selbst, wenn jemand – irgendjemand! – bereit gewesen wäre, zu helfen. Metin war nicht mehr zu retten.
    „Natürlich bin ich nicht spazieren gegangen“, erklärte Annelie reichlich herablassend auf Lenas Frage. „Ich hasse es, zu Fuß zu gehen. Wieso sollte ich jetzt im Alter noch damit anfangen?“
    „Kokettiere nicht andauernd mit deinem `Alter`! Was hast du in der Nacht da draußen gemacht?“
    „Du kannst mich jetzt auslachen, aber ich… ich habe seit einiger Zeit das deutliche Gefühl, dass die Antwort nur von dort, von Bernhard Beers Ferienhaus kommen kann.“
    „Welche Antwort?“ Lena sah nicht aus, als könne sie der Mutter noch folgen.
    Annelie schwieg lange. Dabei strich sie sich immer wieder mit der rechten Hand über ihre bandagierte linke Schulter. Als sie endlich antwortete, war ihr Blick abwesend.
    „Du sagtest mir am Telefon, Max Breidbach würde sich nicht mal an meinen Namen erinnern. Dennoch bin ich ganz sicher, dass wir uns irgendwann vorgestellt worden sind. Aber wo? Und von wem? Wann? Nachdem Tim Valendiek mich in das Haus geschleppt hatte, nachdem ich knapp dem Tod entgangen war…“
    „Na, na!“
    „Jawohl, dem Tode“, wiederholte Annelie ernsthaft. „Als ich da in dem riesigen Wohnzimmer saß, in all dem Dreck und Müll, da hatte ich plötzlich die Erkenntnis. An einem Wochenende, das die Familie Beer in ihrem Ferienhaus verbrachte, stellte Bernhard mir und Gottlieb den Anwalt Max Breidbach vor. Bernhard war begeistert von dem jungen Mann und von dessen zukünftiger Karriere. Der wird mal Justitiar meiner Firma, betonte er andauernd. Er ging deinem Vater damit unsäglich auf die Nerven. Gottlieb nahm ihm diese penetrante Angeberei immer übel. Er mochte so was nicht.“
    „Wahrlich nicht“, murmelte Lena, gegen ihren Willen fasziniert von den Erinnerungen der Mutter.
    Annelie hörte nicht auf, ihre schmerzende Schulter, die ein kundiger Chirurg mit einem beeindruckenden Verband versehen hatte, zu streicheln. „Dein Vater war die personifizierte Bescheidenheit und Zurückhaltung und schämte sich für Bernhards Protzerei in Grund und Boden. Das nennt man heute wohl `Fremdschämen`, oder? An jenem Abend war es wieder mal soweit: Ich konnte Gottlieb kaum beruhigen, damit er nicht noch vor dem Essen nach Hause ging. Und da saß auch Max Breidbach mit uns am Tisch. Sofie schätzte ihn sehr, das merkte man, während Bernhard ihn förmlich in den Himmel lobte. Breidbach war das unangenehm, er betonte immer wieder, er hätte zu wenig berufliche Erfahrung und deshalb noch viel zu lernen.“
    „Wurde er denn eigentlich jemals der Justitiar der Beer AG?“, fragte Lena stirnrunzelnd.
    Annelies Blick kehrte zu ihr und somit in die Realität zurück. Sie wirkte ernüchtert, als sie sagte: „Eben nicht. Breidbach verschwand so schnell in der Versenkung wie er zuvor aufgetaucht war. Allerdings trennten sich unsere und die Wege der Familie Beer dann ja auch bald. Ihr Mädels wart plötzlich erwachsen, jede ging ihren eigenen Weg, und Sofie und Bernhard kamen immer seltener ins Ferienhaus.“
    Lena hatte sich erhoben und damit begonnen, auf und ab zu gehen, die Hände in den Taschen ihres wadenlangen Leinenrocks vergraben. Sie war klein, weitaus kleiner als ihre Mutter, gleichzeitig kompakt und aschblond – eine Haarfarbe, die sie verabscheute, weil sie fand, dass es irgendwie dazwischen und deshalb undefinierbar und zu nichts zu

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