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Mordskerle (German Edition)

Mordskerle (German Edition)

Titel: Mordskerle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Schley
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Kind des großen Bernhard Beer sie auf den Chefsessel torpedieren würde. Dort hätte sie an diesem Tag sicherlich nicht gesessen, wenn ihr Vater nicht so unerwartet gestorben wäre. Bernhard Beer vertrat zwar offiziell nie die Meinung, dass eine Frau immer noch an den heimischen Herd gehörte, dennoch hätte er seine Tochter - die Nachfolgerin - nur ungern so jung schon in der Chefetage gesehen.
    Inken hatte ihm immer vor allem zuarbeiten sollen. Dafür war sie von ihrem Vater vorgesehen gewesen. Doch solche Pläne hatten sich über Nacht zerschlagen.
    Inkens Augen begannen regelmäßig bei dieser Beleuchtung nach kurzer Zeit zu schmerzen, so auch heute. Das würde sie sich allerdings nie anmerken lassen. Disziplin war ihre bemerkenswerteste Eigenschaft, dazu gesellten sich fundiertes Fachwissen, Klugheit und ein gesundes Selbstbewusstsein – in eben dieser Reihenfolge.
    Als sich nun die gepolsterte Tür zum Konferenzraum öffnete, sahen sich alle wie auf Kommando um. Es war bekannt, dass Inken Störungen während der Besprechungen nicht schätzte, und wenn es sich halbwegs vermeiden ließ, blieb alles draußen vor der Tür, was nicht wirklich wichtig war.
    Aus diesem Grund hatte bereits Bernhard Beer sämtliche Telefone aus dem Saal verbannt, weil Telefone die hässliche Eigenschaft besaßen, immer im falschen Augenblick zu klingeln, und das duldete Inken genauso wenig wie einst ihr Vater.
    Ein kurzes Schweigen breitete sich aus. Die Männer am runden Tisch sahen ausnahmslos der jungen Sekretärin hinterher, die auf hohen Absätzen zu Inkens Platz stöckelte. Sylvia Herzig wäre in diesem Moment wohl sehr erstaunt gewesen, in der jungen Frau jene attraktive Blondine wieder zu erkennen, die bei der Beisetzung ihres Chefs am offenen Grab so bitterlich geweint hatte.
    Augenblicklich versuchte sie lediglich angestrengt, auf Zehenspitzen zu gehen, was sich allerdings als schlichtweg unmöglich erwies. Das Geräusch ihrer Absätze auf dem Parkettfußboden ließ sich nicht dämpfen und hatte die Wirkung eines Schnellfeuergewehrs, das auch den allerletzten Konferenzteilnehmer aus seiner Konzentration riss.
    „Was gibt es denn?“, fragte Inken prompt mit scharfer Stimme.
    Die Sekretärin, etwas außer Atem und blass, beugte sich zu ihr, um ihr hastig etwas zuzuflüstern.
    „Was?“, war dann Inkens erste Reaktion, als müsste sie sich vergewissern, richtig gehört zu haben. Die Sekretärin wiederholte die Nachricht, dieses Mal etwas lauter. Den anderen flogen ein paar Wortfetzen zu:
    „… Polizei… angerufen…. Ferienhaus an der Ostsee… ein Kommissar Vonhoff…“
    Inken zuckte nicht mit der Wimper, ihr Gesicht blieb ausdruckslos. Das Erschrecken kam gewissermaßen mit Verspätung, dann jedoch mit Macht. Sie wurde, als sie begriff, schlagartig blass. Dann atmete sie zwei-, dreimal tief, um sich gleichzeitig mit einer sehr hilflos wirkenden Geste eine Hand gegen die linke Wange zu legen.
    So saß sie ein paar Sekunden reglos. Es war allerdings eine Haltung, die sie sich nicht leisten konnte. So kannte sie keiner aus dieser Runde und es konnte unwillkürlich die Frage aufwerfen, ob die junge Firmenchefin möglicherweise doch nicht so „tough“ war, wie man immer gemeint hatte.
    Zweifel an ihrer Position, ihrer Stärke und Entschlossenheit durften gar nicht erst aufkommen. Dennoch saß Inken sekundenlang da wie vom Blitz getroffen, mit einem Ausdruck in den hellen Augen wie ein kleines, ängstliches Mädchen. Einen Moment lang hatte sie große Ähnlichkeit mit ihrer Mutter, der stets furchtsamen, schwachen Sofie Beer.
    „Wann kam der Anruf?“, wollte sie endlich leise wissen, woraufhin die Sekretärin wisperte: „Vor ein paar Minuten. Ich bin gleich zu Ihnen…“
    Inken erhob sich mit einem Ruck, als eigentlich keiner mehr damit rechnete. Sie sah niemanden an, während sie mit ihrer spröden Jungenstimme verkündete:
    „Ich muss die Besprechung leider abbrechen. Es wurde soeben gemeldet, dass in der vergangenen Nacht in unser Haus an der Ostsee eingebrochen worden ist. Sie verstehen, dass ich dort jetzt gebraucht werde.“
    Mehr sagte sie nicht, aber mehr war auch nicht nötig. Natürlich musste sie sich darum kümmern, wer denn sonst? Außer ihr war ja keiner da. Sofie Beer hatte solche und sogar weniger brisante Probleme noch nie bewältigen können. An Axel Lentz, Inkens Ehemann, hatte man anfänglich große Erwartungen gehabt, was das Geschäftliche in der Familie Beer betraf. Inzwischen war man allerdings

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